Drucksache 17/5200
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sein Handeln an Recht und Gesetz gebunden ist. Die relevanten Vorgaben für behördliche Ermittlungen finden sich
insbesondere in der Strafprozessordnung, die einen heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme gerade
nicht erlaubt. Auch die für die Steuerfahnder geltenden
Vorschriften der Abgabenordnung erlauben nicht das
heimliche Eindringen in fremde Computer und die Sichtung der dort gespeicherten Daten, um Hinweise auf Steuerhinterzieher zu suchen. Offenbar hat der Informant von
ihm angebotene Daten auf diese oder vergleichbar rechtswidrige Weise erlangt. Unter Verstoß gegen Datenschutzvorschriften erlangte Daten bleiben aber rechtswidrig,
auch wenn sie für einen „guten“ Zweck verwandt werden
sollen. Der Rechtsstaat darf sich der ihm durch das Recht
auferlegten Grenzen nicht dadurch entledigen, indem er
auf rechtswidriges Handeln Dritter setzt.
Eine besondere Problematik liegt auch in den Konsequenzen, die sich aus der Belohnung von „Datendieben“ ergeben können. Wenn der Staat beim Ankauf einer CD mit illegal erlangten Datensätzen dem Informanten Geld gibt,
anstatt ihn für sein strafbares Handeln zur Rechenschaft
zu ziehen (und eventuell auszuliefern), stellt sich die
Frage, ob er nicht zumindest mittelbar den Diebstahl vertraulicher personenbezogener Daten fördert.
Der Ankauf einer aus illegalen Quellen stammenden Steuerdaten-CD stellt aufgrund seiner Eigenart eine besondere
Ermittlungsmaßnahme dar, die meiner Ansicht nach allenfalls auf der Grundlage einer besonderen – aber bei derzeitiger Rechtslage nicht erkennbaren – Ermächtigung zulässig sein kann. Behörden in einem Rechtsstaat müssen in
klarer und nachvollziehbarer Weise ihre Ermittlungen führen. Dazu zählt auch Transparenz hinsichtlich der Frage,
auf welchem Wege Informationen in die Hände der Steuerverwaltung gelangt sind.
Ich habe mich deshalb dafür ausgesprochen, auf Bundesebene konkrete gesetzliche Regelungen zum Umgang mit
Angeboten von Datensätzen zu Steuersündern zu schaffen.
Dabei ist der Gesetzgeber aufgefordert, die widerstreitenden Interessen und Rechtsgüter in einen angemessenen
Ausgleich zu bringen. Unabhängig davon darf ein Ankauf
solcher Datensätze aber allenfalls eine ultima ratio darstellen. Die Steuerbehörden müssen zuvor die verfügbaren
ihm zu Gebote stehenden Wege der Informationserlangung ausgeschöpft haben. Dazu zählen insbesondere der
Informationsaustausch mit ausländischen Finanzbehörden
sowie die Ausschöpfung der Möglichkeiten der Rechtshilfe (vgl. Nr. 9.7). Zudem dürfen etwaige gesetzliche Regelungen nicht das Geschäftsmodell der illegalen Datenbeschaffung oder des illegalen Datenhandels fördern. Im
Übrigen teile ich die Auffassung, dass sich – losgelöst von
der vorliegenden Thematik – die Frage des Umgangs mit
Daten aus „zwielichtigen Quellen“ für die Strafverfolgungsbehörden aufgrund des technischen Fortschritts vermehrt stellen wird. Dies spricht ebenfalls für die Schaffung
einer spezialgesetzlichen Regelung.
Im Zusammenhang mit den Überlegungen zu einer
Rechtsgrundlage bedarf meines Erachtens auch die Frage
nach der Verwertung der durch den Ankauf erlangten Informationen einer weiteren Erörterung. Inzwischen hat
BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der für
eine Wohnungsdurchsuchung erforderliche Anfangsverdacht auf Daten gestützt werden kann, die ein Informant
aus Liechtenstein auf einer CD-ROM an den Bundesnachrichtendienst verkauft hatte (BVerfG, Beschluss vom
9. November 2010, 2 BvR 2101/09). Damit ist allerdings
die Frage der Zulässigkeit des Erwerbs derartiger Daten
nicht abschließend geklärt.
9.2
Die Macht der SteuerIdentifikationsnummer
Durch die Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) werden alle Bundesbürger zentral durch den Staat erfasst.
Erweiterungen des Datenbestandes oder Vernetzungen
verschiedener auf der Steuer-ID basierender Datenpools
bergen erhebliche Risiken für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Seit der Einführung der Steuer-ID habe ich auf die Gefahr
hingewiesen, aus diesem Merkmal könne sich ein Personenkennzeichen entwickeln, mit dem andere Datenbestände
personenbezogen verknüpft und umfassende Persönlichkeitsprofile erstellt werden können (s. 22. TB Nr. 9.1).
Diese Gefahr besteht weniger darin, dass die Steuer-ID in
ein allgemeines Personenkennzeichen umgewandelt wird.
Vielmehr ist zu befürchten, dass deren Verwendungsmöglichkeiten schrittweise erweitert werden, was im Ergebnis
auf dasselbe hinausläuft.
Die jüngsten Entwicklungen bestätigen leider meine Bedenken. Mit dem Jahressteuergesetz 2010 hat die Steuer-ID
zusätzliche neuen Funktionen erhalten, durch die – wie
vom Gesetzgeber gewünscht – der Vollzug der Steuergesetze und damit eine gleichmäßige Besteuerung besser gewährleistet werden. Der Staat erhält hierdurch aber auch
neue Möglichkeiten, unter der Steuer-ID verschiedenste
Daten zu seinen Bürgern in einer zentralen Datenbank zu
speichern. Problematisch ist aber vor allem, dass die
Steuer-ID verstärkt von nicht-öffentlichen Stellen erhoben
und verarbeitet wird.
Dies geschieht beispielsweise durch die mit dem „Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung“ eingeführten Regelungen nach § 10 Absatz 2 und Absatz 2a EStG. Diese
bestimmen im Zusammenhang mit der steuerlichen Geltendmachung von Vorsorgeaufwendungen durch die Versicherten die Erhebung und Verarbeitung der Steuer-ID
durch die privaten Krankenversicherungsunternehmen.
Wie zahlreiche Eingaben belegen, befürchten die Betroffenen eine Entwicklung zum „gläsernen Steuerbürger“.
Besonders kritisiert wird dabei, dass eine steuerliche Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen in vollem Umfang nur möglich ist, wenn die Betroffenen der Erhebung
und Verarbeitung der Steuer-ID durch die Krankenversicherungsunternehmen zustimmen.
Eine wirksame Einwilligung nach § 4a Absatz 1 Satz 1
BDSG setzt jedoch eine freie Entscheidung des Betroffenen voraus, die wiederum auf einer echten Wahlmöglichkeit beruhen muss, die im konkreten Fall nicht besteht.
Ich habe mich daher gegenüber dem Bundesministerium
der Finanzen (BMF) dafür eingesetzt, den Steuerpflichti-