Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– 97 –
dahin auszulegen, dass Einzelangaben über persönliche
und sachliche Verhältnisse, die für eine Bundesstatistik gemacht würden, ohne Zustimmung des Betroffenen im
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht gegen ihn verwertet werden dürften. Eine gegen den Willen des Betroffenen erfolgende Verwertung dieser Angaben sei nicht mit
dem grundrechtlich geschützten Grundsatz vereinbar, dass
niemand sich selbst belasten müsse.
Im Rahmen der Außenhandelsstatistik bestünden mit Beugemitteln erzwingbare Auskunftspflichten. Die betroffenen Unternehmen seien uneingeschränkt verpflichtet, gegenüber dem Statistischen Bundesamt wahrheitsgemäße
Angaben zu machen, insbesondere sei kein Auskunftsverweigerungsrecht für den Fall einer drohenden Selbstbezichtigung vorgesehen. Das strafprozessuale Verweigerungsrecht liefe aber ins Leere, wenn eine außerhalb des
Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung gegen
den Willen des Auskunftspflichtigen strafrechtlich zu dessen Nachteil verwendet werden dürfe.
Eine erfreuliche Entscheidung!
8.2
Ausländerrecht
8.2.1
Ausländerzentralregister – Daten von
Unionsbürgern endlich besser schützen!
Die europarechtlichen Vorgaben, wann Daten zu Unionsbürgern gespeichert werden dürfen, setzt das Ausländerzentralregister (AZR) nur unzureichend um. Jetzt ist der
Gesetzgeber am Zug.
Im Ausländerzentralregister (AZR) sind personenbezogene Daten von allen Ausländern erfasst, die sich länger
als drei Monate in Deutschland aufhalten, darunter auch
die Daten von Unionsbürgern. Der EuGH hatte mit Urteil
vom 16. Dezember 2008 (C-524/06) diese Speicherung
von Daten zu Unionsbürgern in einem zentralen Register
wie dem AZR sowie deren Übermittlung an andere Behörden nur unter engen Voraussetzungen für zulässig gehalten (vgl. 22. TB Nr. 16.1). Diese Entscheidung habe
ich zum Anlass für eine datenschutzrechtliche Kontrolle
beim AZR genommen. Wie ich dabei feststellen musste,
sind die Vorgaben des EuGH im automatisierten Abrufverfahren und damit für einen Großteil der Abrufe
nicht umgesetzt worden. Auch waren bestehende Suchvermerke zu Unionsbürgern noch nicht gelöscht. Damit
konnten weiterhin die im AZR gespeicherten Daten zu
Unionsbürgern, z. B. zum Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung, an Sicherheitsbehörden übermittelt werden,
obwohl der EuGH dies ausdrücklich für unzulässig erklärt hatte. Diesen Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben habe ich nach § 25 Absatz 1 Nr. 1 BDSG beanstandet. Durch die Registerbehörde waren auch keine
technisch-organisatorischen Maßnahmen ergriffen worden, die einen Abruf der Daten nur zu den vom EuGH anerkannten ausländerrechtlichen Zwecken und nur durch
die in diesem Bereich zuständigen Behörden ermöglicht
hätten.
Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat daraufhin
zugesagt, noch bestehende Suchvermerke zu Unionsbür-
Drucksache 17/5200
gern zu löschen. Die technische Umsetzung der Vorgaben
für das automatisierte Abrufverfahren soll unmittelbar
nach Abschluss eines derzeit eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des AZR-Gesetzes erfolgen. Der im Rahmen der Ressortabstimmung vom BMI
zunächst vorgelegte Referentenentwurf setzte die Vorgaben des EuGH allerdings nur unzureichend in nationales
Recht um. Deswegen habe ich mich dafür eingesetzt, sowohl den Umfang der im AZR gespeicherten Daten zu
Unionsbürgern deutlich zu reduzieren als auch die Übermittlung dieser Daten ausschließlich zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken und nur an die in diesem Bereich zuständigen Behörden zuzulassen.
Das Gesetzgebungsverfahren war zum Redaktionsschluss
noch nicht abgeschlossen. Ich werde es weiterhin begleiten und mich nach dessen Abschluss für eine zeitnahe
technische Umsetzung im AZR einsetzen.
Die im Zusammenhang mit der Änderung des AZR-Gesetzes nun beabsichtigte Aufnahme der bereits im
Jahr 2007 unter meiner Beteiligung zwischen den Ressorts abgestimmten Forschungsklausel ist hingegen positiv zu bewerten (vgl. 21. TB Nr. 7.1.3). Damit wird es
künftig möglich sein, die im AZR enthaltenen Daten von
Drittstaatsangehörigen für wissenschaftliche Zwecke zu
nutzen.
8.2.2
Elektronischer Aufenthaltstitel – Dokument im Scheckkartenformat mit
Fingerabdrücken
Im Zuge der Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels werden Ausländerbehörden künftig obligatorisch neben einem Lichtbild auch Fingerabdrücke von in
Deutschland lebenden Ausländern erfassen.
In Umsetzung einer europäischen Vorgabe (Verordnung
(EG) 380/2008) hat das Bundesministerium des Innern die
rechtliche Grundlage für die Einführung elektronischer
Aufenthaltstitel für Ausländer, die keine Unionsbürger
sind, erarbeitet. Voraussichtlich ab September 2011 soll
die neue elektronische Aufenthaltskarte – wie der neue
Personalausweis (nPA – vgl. Nr. 3.2) – im Scheckkartenformat ausgegeben werden. Die Aufenthaltskarte wird einen Chip enthalten, auf dem zwei Fingerabdrücke und ein
digitales Lichtbild des Inhabers als biometrische Merkmale gespeichert sind, wozu die europäische Verordnung
verpflichtet (vgl. Kasten zu Nr. 8.2.2). Anders als beim
nPA ist die Aufnahme der Fingerabdrücke beim elektronischen Aufenthaltstitel obligatorisch.
Als Zusatzfunktion verfügt die neue Aufenthaltskarte zudem über die Möglichkeit des elektronischen Identitätsnachweises (eID), der die Inhaber bei Rechtsgeschäften
im Internet legitimieren kann.
Im Rahmen meiner Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren habe ich mich für ein hohes Datenschutz- und Datensicherheitsniveau bei den auf dem Chip gespeicherten biometrischen Merkmalen und der eID-Funktion eingesetzt.
Dies soll durch eine entsprechende Anwendung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen sicher gestellt werden,
BfDI 23. Tätigkeitsbericht 2009-2010