Drucksache 18/1200
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hende, aktuelle Geheimhaltungsbedürftigkeit) wurde
im geschilderten Fall nicht mehr geprüft.
3.1.5
Der Schutz behördlicher Beratungen
- eine Allzweckwaffe?
Der Ausnahmetatbestand des § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG erfreut sich bei den Behörden großer
Beliebtheit. Doch auch an ihn sind strenge Anforderungen zu stellen.
Nach § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG besteht der
Anspruch auf Informationszugang nicht, „wenn und
solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt
werden“.
Wie ich schon seit längerer Zeit feststellen muss,
wird dieser Ablehnungsgrund immer wieder gerne
von den Behörden herangezogen, häufig auch als
zusätzliche (Hilfs-)Argumentation neben anderen
vorgebrachten Ablehnungsgründen. Für die Bundesministerien hat der Ablehnungsgrund des § 3
Nummer 3 Buchstabe b IFG zudem zusätzliche Bedeutung erlangt, seit das Bundesverwaltungsgericht
im Jahr 2011 klargestellt hat, dass auch Regierungshandeln dem IFG unterliegt (vgl. 3. TB Nr. 3.2.1). In
Fällen, in denen sich die Ministerien früher hinter
dem Begriff der „Regierungstätigkeit“ versteckt
hätten, um Informationen nicht offenlegen zu müssen, stellt sich nun häufig die Frage, ob nicht statt
dessen der „Schutz behördlicher Beratungen“ eine
Ablehnung des Informationszugangs rechtfertigen
könnte (vgl. Kasten zu Nr. 3.1.5).
K a sten z u N r . 3.1.5
§ 3 Nummer 3 IFG
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
3. wenn und solange
a) die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen oder
b) die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden,
Hintergrund hierfür ist häufig die Befürchtung, die
Offenlegung beispielsweise von Besprechungsprotokollen könnte behördliche Diskussionsprozesse beeinträchtigen oder Beteiligte davon abhalten, ihre
Meinung künftig noch unbefangen und frei zu äußern. Ich will nicht bestreiten, dass in einzelnen Fällen eine solche Gefahr tatsächlich besteht und es
rechtfertigen kann, den Zugang zu bestimmten Informationen zu verweigern. § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG kann und darf von den Behörden aber nicht
als pauschale „Allzweckwaffe“ genutzt werden.
Eine Behörde, die sich auf den Schutz behördlicher
Beratungen beruft, muss die Tatbestandsvoraussetzungen von § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG einzel4. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
fallbezogen, hinreichend substantiiert und konkret
darlegen. Aufgrund des gesetzlichen Regel-Ausnahme-Verhältnisses ist die Vorschrift - wie alle
Ausnahmetatbestände des IFG - eng auszulegen.
Hierzu hat die Rechtsprechung inzwischen die folgenden Leitlinien entwickelt (vgl. z. B. BVerwG,
Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14/11 -;
OVG NRW, Urteil vom 2. November 2011
- 8 A 475/10 -; VG Berlin, Urteil vom 25. August
2011 - 2 K 50.11 -; VG Köln, Urteil vom 22. November 2012 - 13 K 5281/11 -):
Der Wortlaut des § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG ist
- darüber dürfte Einigkeit bestehen - sprachlich
missglückt. Die Einschränkung „notwendige Vertraulichkeit“, die dem Wortlaut nach lediglich für § 3
Nummer 3 Buchstabe a IFG („notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen“) gilt, muss
aus systematischen und teleologischen Gründen auch
auf § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG erstreckt werden
(vgl. OVG NRW a.a.O.). Die Offenlegung der Information muss also die „notwendige Vertraulichkeit
der Beratungen von Behörden“ beeinträchtigen. Es
reicht somit nicht aus, eine Beratung in nichtöffentlicher Sitzung abzuhalten, um allein dadurch den
Schutz von § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG zu erreichen. Vielmehr muss die Vertraulichkeit der Beratung in dem konkreten Einzelfall notwendig sein.
Dass die Rechtsprechung dies für den speziellen Fall
der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission angenommen hat (BVerwG a.a.O.; OVG NRW a.a.O.),
darf nicht dazu verleiten, die stark auf die Besonderheiten des Einzelfalls abstellende Begründung ohne
Weiteres auch auf andere Gremien zu übertragen.
Zweck der Vorschrift ist es, einen unbefangenen und
freien Meinungsaustausch innerhalb einer Behörde
oder zwischen Behörden zu gewährleisten. Schutzobjekt ist dementsprechend nur der eigentliche Vorgang
der behördlichen Entscheidungsfindung. In der
Rechtsprechung hat sich hierzu die durchaus treffende Formel herausgebildet, geschützt sei der Beratungsprozess im engeren Sinne - d.h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, mithin der
eigentliche Vorgang des Überlegens -, nicht aber die
hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen
und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung
(Beratungsergebnis).
Weiter setzt § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG eine
„Beeinträchtigung“ der behördlichen Beratungen
voraus. Insoweit bedarf es einer Prognose im jeweiligen Einzelfall, ob das Bekanntwerden der Information sich auf die Beratungen einer Behörde behindernd oder hemmend auswirkt. Aufgrund der gebotenen restriktiven Auslegung genügt nicht jede allgemein in Betracht zu ziehende nachteilige Auswir-