Stattdessen muss die BfDI alle Dateien vollumfänglich einsehen können, dies gilt insbesondere auch für
internationale Kooperationen. Dies ist in den diesbezüglichen Vereinbarungen (MoU, MoA etc.) festzuhalten.
Zudem ist die BfDI zur Durchsetzung eines effektiven
Datenschutzes, zu dem auch die Einsichts- und Kontrollrecht gegenüber den Geheimdiensten des Bundes
und der Länder zählen, personell und organisatorisch
zu stärken.
c) Effektiver Schutz für Whistleblower*innen
Bislang hat sich die Hoffnung auf Whistleblower*innen
in den bundesdeutschen Geheimdiensten oder Polizeibehörden in Bezug auf geheimdienstliches Wissen
über das Netzwerk des NSU und dessen Aktivitäten vor
dem November 2011 nicht erfüllt. Whistleblowing kann in
der vernetzten Gesellschaft das Informationsmonopol
von Regierungen, staatlichen Institutionen und Unternehmen aufbrechen. Es kann Skandale aufdecken,
Lügen und Unwahrheiten demaskieren und Transparenz
fördern. Die Fraktion DIE LINKE spricht sich deshalb
für einen besseren Schutz von Whisteblowern aus. Die
Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor einer
Klage auf Schadensersatz oder sonstigen Repressalien
wiegt oft so schwer, dass die Betroffenen ihr Wissen für
sich behalten. Die Erfahrung hat zudem gezeigt, dass
interne Kontrollsysteme nur unzureichend funktionieren. Es gibt einen handfesten Bedarf an mehr Zivilcourage unter Mitarbeitern von Geheimdiensten ebenso
wie in Wirtschaft und Gesellschaft.
Die Fraktion DIE LINKE fordert ein Whistleblower-Gesetz, das einen Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung
ebenso beinhaltet wie einen medienrechtlichen Schutz.
Journalist*innen muss erlaubt sein, solche Quellen
geheim zu halten. Und nicht-staatliche Organisationen,
die Whistleblower*innen unterstützen, indem sie ihnen
Hilfe, Beratung und Infrastruktur zur Verfügung stellen,
benötigen eine finanzielle Förderung. Zivilcourage ist
ein hohes Gut. Eine partizipatorische, demokratische
Gesellschaft braucht eine Kultur des Hinschauens und
Sich-Einmischens. Für die Entwicklung und Unterstützung einer solchen Kultur steht die Fraktion DIE LINKE
auf allen Politikfeldern gleichermaßen ein und hat zum
Schutz von Whistleblower*innen bereits einen umfangreichen Antrag (BT-Drs. 18/5839) vorgelegt.
d) Zum Untersuchungsausschussgesetz
Es ist dringend geboten, die Gepflogenheit über die unterschiedlichen Fragezeiten nach dem Stärkeverhältnis
der Fraktionen in Untersuchungsausschüssen abzuschaffen. So wird jede Untersuchung durch zerrissene
Zeugenbefragungen belastet.
Auch eine Verteilung von Vorsitzender und
Stellvertreter*in sollten grundsätzlich zwischen Regierungsfraktion und Opposition aufgeteilt sein, um die
Ausgewogenheit zu fördern.
Schließlich darf es künftig keine Verweigerung von
Aktenvorlage und Zeugenaussagen mit Verweis auf
Vereinbarungen von deutschen mit ausländischen Geheimdiensten mehr geben. Mit Verweis auf die Belange
70
ausländischer Partnerdienste wurden beispielsweise
die Informationen zur Erfüllung der Beweisbeschlüsse
zu Kenntnissen der europäischen Partnerdienste über
rechtsterroristische Aktivitäten in Deutschland in weiten Teilen geschwärzt, entnommen oder gar nicht erst
übermittelt. Das Parlament darf aber seine Kontrollkompetenz nicht aufgeben. Auch andere Versuche, die
Beweiserhebung durch gesetzlich nicht vorgesehene
Sonderverfahren für die Obleute der Fraktionen oder
Ausschussvorsitzende oder sogenannte Vertrauenspersonen zu erschweren, müssen durch die Parlamentarier*innen konsequent abgelehnt werden. Nur ein
ordnungsgemäßes Verfahren von Beweisaufnahme,
Kontrolle und Aufklärung wird den Aufgaben des Parlamentes gerecht.
2) Reformen bei Polizei und Justiz vorantreiben
Um strukturell rassistische Ermittlungen wie bei der
Česká-Mordserie in Zukunft zu verhindern, hatte die
gemeinsame Empfehlung Nr. 1 des ersten Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode einen zentralen Stellenwert. Mit ihr sollte sichergestellt werden,
dass Rassismus als Motiv bei Gewaltkriminalität immer
im Blick der Ermittler sein muss und die Überprüfung
dieses Motivs selbst auch überprüfbar ist.
Im Wortlaut heißt es in der Empfehlung Nr. 1: »In allen
Fällen von Gewaltkriminalität, die wegen der Person
des Opfers einen rassistisch oder anderweitig politisch
motivierten Hintergrund haben könnten, muss dieser
eingehend geprüft und diese Prüfung an geeigneter Stelle
nachvollziehbar dokumentiert werden, wenn sich nicht
aus Zeugenaussagen, Tatortspuren und ersten Ermittlungen ein hinreichend konkreter Tatverdacht in eine andere
Richtung ergibt. Ein vom Opfer oder Zeugen angegebenes
Motiv für die Tat muss von der Polizei beziehungsweise
der Staatsanwaltschaft verpflichtend aufgenommen und
angemessen berücksichtigt werden. Es sollte beispielsweise auch immer geprüft werden, ob es sinnvoll ist, den
polizeilichen Staatsschutz zu beteiligen und Informationen bei Verfassungsschutzbehörden anzufragen. Dies
sollte in die Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie in die einschlägigen polizeilichen
Dienstvorschriften aufgenommen werden.« 203
Mehr als zwei Jahre hat es gedauert, bis diese Empfehlung formal umgesetzt wurde. Unter Nr. 15 der RiStBV
(Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren) ist
seit 2015 geregelt, dass bei der Aufklärung einer Tat auf
rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe zu achten sei. Darüber
hinaus wurde in der bundesweit verbindlichen Polizeivorschrift PDV 100 folgender Passus eingefügt: »Grundsätzlich sind in allen Fällen von Gewaltkriminalität rassistische und anderweitig politisch motivierte Hintergründe
zu prüfen. Die Ergebnisse sind zu dokumentieren.«
Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen jedoch, dass
es eine erhebliche Diskrepanz zwischen der formalen
Umsetzung der Empfehlung und ihrer Anwendung gibt.
203
BT-Drs. 17/14600, S. 861 f.