In diesem Zusammenhang kann ein Zitat des BfV in der
Antwort zur Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE fast
schon als Satire gelesen werden: »Im Rahmen der Ausund Fortbildung fördert die Akademie für Verfassungsschutz (AfV) als Bund-Länder-Einrichtung eine Kultur
der Offenheit und des Austausches. Es entspricht ihrem
Selbstverständnis, Austausch sowohl behördenübergreifend als auch intern zu fördern und Abschottung entgegenzuwirken.« Weiter heißt es, das Bundesinnenministerium vermittle dem BfV »Impulse, die innerhalb der
neuen, an Transparenz orientierten Öffentlichkeitsarbeit
Berücksichtigung finden.« Auch das kann nur als Parodie
auf die Wirklichkeit verstanden werden.
Jetzt mehr denn je: Das bisherige Bundesamt
für Verfassungsschutz abschaffen und eine
Koordinierungsstelle des Bundes plus Bundes
stiftung »gruppenbezogene Menschenfeindlich
keit« aufbauen
Angesichts der Ergebnisse des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag ist die Auflösung
des nachrichtendienstlich arbeitenden Verfassungsschutzverbundes in der Bundesrepublik sowohl
politisch als auch rechtlich geboten. Die von den
Innenministerien des Bundes und der Länder bisher
umgesetzten Maßnahmen und Gesetzesveränderungen
tragen diesem grundlegenden Veränderungsbedarf
nach Überzeugung der Fraktion DIE LINKE in keiner
Weise Rechnung und verfestigen nach der schweren
Legitimitätskrise der Geheimdienste stattdessen deren
wesentliche Eckpfeiler. Aus diesem Grund schlägt die
Fraktion DIE LINKE – wie auch schon nach dem Ende
des ersten NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag – die Abschaffung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in seiner jetzigen Form vor und fordert als
radikale Alternative den Aufbau einer Koordinierungsstelle des Bundes zur Dokumentation neonazistischer,
rassistischer und antisemitischer Einstellungen und
Bestrebungen sowie sonstiger Erscheinungsformen
»gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit«. Die durch
Bundesgesetz zu errichtende »Koordinierungsstelle des Bundes zur Dokumentation neonazistischer,
rassistischer und antisemitischer Einstellungen und
Bestrebungen sowie sonstiger Erscheinungsformen
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« (kurz: »Koordinierungsstelle zur Dokumentation gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit«) ersetzt nach einer Aufbauphase das aufzulösende »Bundesamt für Verfassungsschutz« als Zentralstelle des Bundes für Zwecke des
Verfassungsschutzes nach Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG. Die
»Koordinierungsstelle« ist eine ministerialfreie Einrichtung des Bundes, d. h. sie untersteht lediglich der
Rechts-, aber nicht der Fachaufsicht eines Bundesministeriums. Ihrer verfassungsmäßigen Aufgabenbegrenzung auf die »Sammlung von Unterlagen« (Art. 87 Abs. 1
Satz 2 GG) entsprechend sind ihre Befugnisse auf das
koordinierende Entgegennehmen, die Weitergabe und
die Vermittlung des Austauschs von Informationen und
Erkenntnissen begrenzt, welche ihr von Stellen der
Länder und des Bundes sowie zwischenstaatlichen und
ausländischen Stellen übermittelt werden.
Die Bundesstiftung zur Beobachtung, Erfor
schung und Aufklärung über alle Erscheinungs
formen »gruppenbezogener Menschenfeindlich
keit«
Die »Koordinierungsstelle« betreibt selbst keine inhaltliche Auswertung und Aufbereitung entsprechend diesen
Vorgaben entgegen genommener Informationen und
Erkenntnisse. Diese obliegt einer neu zu errichtenden
»Bundesstiftung zur Beobachtung, Erforschung und
Aufklärung aller Erscheinungsformen gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit« (kurz: »Bundesstiftung zur Beobachtung und Erforschung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit«).
Die »Bundesstiftung« soll eine bundesunmittelbare,
rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts sein, die
rechtlich, organisatorisch und personell unabhängig ist
von der Koordinierungsstelle. Sie entsteht durch ein
formelles Errichtungsgesetz des Bundes. Ihr Zweck ist
der Schutz der Menschenwürde sowie der Grundrechte
des Grundgesetzes durch wissenschaftliche Untersuchung, Information, Dokumentation und Aufklärung
über Ursachen und Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Sie arbeitet gemäß dem
gesetzlichen Leitbild: »Der beste Schutz der Verfassung
sind mündige Bürgerinnen und Bürger« auf der Grundlage des Prinzips »Verfassungsschutz durch Aufklärung«.
Gesetzliche Aufgabe der Stiftung ist es, antipluralistische, insbesondere neonazistische, rassistische und
antisemitische Einstellungen, Verhaltensweisen und
Bestrebungen, sowie sonstige Erscheinungsformen
individueller und organisierter gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu beobachten, zu dokumentieren
und einschließlich ihrer individuellen und strukturellen
Ursachen und Folgen zu erforschen. Sie berät und
unterstützt private und öffentliche Einrichtungen und
gesellschaftliche Initiativen dabei, einen pluralistischen
Konsens sowie demokratische Teilhabe zu fördern und
zu festigen.
Eckpfeiler zur Verbesserung der parlamenta
rischen Kontrolle der noch existierenden
Geheimdienste
Die Fraktion DIE LINKE hält Geheimdienste, ganz
besonders aber einen faktisch politisch motiviert
handelnden und politischer Kontrolle dienenden Inlandsgeheimdienst, grundsätzlich für demokratiefremde
und rechtsstaatswidrige Institutionen und plädiert seit
Langem für ihre schrittweise Auflösung. Dies schließt
Verbesserungen der parlamentarischen und öffentlichen Kontrolle der Nachrichtendienste allerdings nicht
aus, solange eine parlamentarische Mehrheit die reale
Existenz der Geheimdienste sichert. Umso notwendiger
ist es aber, dass die Verbesserungen konkret und der
Bedeutung der Aufgabe angemessen sind. Stärken sie
erkennbar Transparenz und Kontrollmöglichkeiten der
Parlamentarier*innen und der Öffentlichkeit? Schränken sie die Möglichkeiten der Regierungsmehrheiten
ein, Informationsbedarf und Informationsrechte der
Minderheit in den zuständigen Gremien und Ausschüssen zu übergehen? Antworten auf diese Fragen sollten
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