mittelte das Innenministerium Brandenburg daraufhin
dem Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode eine
Telefonrechnung für das besagte Handy von V-Mann
»Piatto« für den Zeitraum vom 1.-31. August 1998 sowie
eine Deckblattmeldung vom 25. August 1998, die belegen soll, dass V-Mann »Piatto« am Nachmittag dieses
Tages mit seinem V-Mannführer zwei Handies bzw.
Handykarten in Potsdam erwarb. Im TKÜ-Datenbestand
des LKA Thüringen aus dem Jahr 1998, der dem Untersuchungsausschuss vorliegt, taucht eine der zwei dort
genannten neuen Handy-Nummern des Carsten Szczepanski jedoch das erste Mal erst am 31. August 1998
auf. Die zweite Nummer findet sich überhaupt nicht im
TKÜ-Bestand des Ausschusses.
Bei der Auswertung der dem Ausschuss vorliegenden
TKÜ-Daten von Jan Werner durch das LKA Thüringen
aus dem Jahr 1998 ist zudem auffällig, dass für den
genauen Zeitraum nach der SMS von Jan Werner an
Carsten Szczepanski am 25. August 1998 um 19.19Uhr
innerhalb von zehn Minuten vier Anrufe bei Werner eingehen, für die keine Telefonnummer registriert ist137 und
bei denen teilweise auch die Geokoordinaten fehlen,
mit denen der Standort des Mobiltelefons relativ genau
bestimmt werden kann. Am 26. August 1998 ab der
laufenden Nr. 1747, SMS um 15.31, fehlen dann bis zur
laufenden Nummer 1883 mehr als 140 Anrufe oder SMS.
Erst ab 6.58Uhr am 27. August 1998 wird unter der laufenden Nummer 1883 wieder eine SMS registriert. Die
Seitenzahl 7 ist in den TKÜ-Akten, die die fehlenden 140
SMS betreffen und dem Ausschuss vorliegen, zudem
doppelt vorhanden.
b) Auswertung und Vernichtung von Asservaten
Bei Jan Werner fanden mehrfach im Zuge der Ermittlungen zum Vertrieb von RechtsRock-Musik und der Neonaziband Landser Exekutivmaßnahmen statt. Bei einer
Durchsuchung am 13. Januar 1999 wurde bei Jan Werner
laut Asservatenliste auch das Pogromly-Spiel gefunden,
mit dem das mutmaßliche NSU-Kerntrio sich zu Beginn
seines Lebens in der Illegalität finanzierte.138
Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass der Generalbundesanwalt und das BKA die dort noch vorhandenen
Akten- und Asservatenauswertungen zum »Landser«Komplex systematisch in Bezug auf Jan Werner – oder
andere mutmaßliche Unterstützer*innen des NSU-Kerntrios – ausgewertet hätten.
Dies wird auch im Zusammenhang mit der Vernichtung
von Asservaten von Jan Werner durch zwei Staatsanwälte beim Generalbundesanwalt im November 2014 deutlich. Am 15. Oktober 2014 war Jan Werner im Prozess am
OLG München als Zeuge geladen worden und hatte dort
die Aussage unter Berufung auf §55 StPO verweigert. Am
3. November 2014 wurde durch zwei Staatsanwälte beim
Generalbundesanwalt die Vernichtung aller noch vorhandenen Asservate von Jan Werner angeordnet, obwohl das
Aktenvernichtungsmoratorium für Akten mit NSU-Bezug
vom 1. Juni 2012 im Bund weiterhin Bestand hat.

Gegenüber dem Ausschuss hat der Generalbundesanwalt erklärt, die beiden Staatsanwälte, die die
Vernichtung veranlasst hatten, hätten zwar von dem
Moratorium Kenntnis gehabt, es sei ihnen aber »nicht
bewusst« gewesen, »dass Jan Werner im Zusammenhang
mit dem NSU-Komplex steht«.139 Aus dem Vermerk der
Bundesanwaltschaft geht außerdem hervor, dass man
davon ausgehe, dass eines der Notizbücher nur aus vier
beschriebenen Seiten bestanden hätte, die als Kopie
komplett in den Akten vorlägen. Es gebe darüber hinaus
keine Anhaltspunkte dafür, dass das Notizbuch mehr
Informationen enthalten habe. Allerdings wurden die
Asservate, die bei einer Durchsuchung im Oktober 2001
bei Jan Werner beschlagnahmt wurden, im Landser-Verfahren vom LKA Berlin lediglich in Bezug auf Werners
Aktivitäten als RechtsRock-Produzent ausgewertet und
auch nur teilweise kopiert. Seit 2003 waren die Asservate beim Landeskriminalamt Berlin aufbewahrt worden,
das das Landser-Verfahren gegen Werner geführt hatte.
Dem für die Ermittlungen im NSU-Komplex zuständigen
BKA waren diese Asservate jedoch nie vorgelegt worden, obwohl sie einen Zeitraum betrafen, in der durch
den NSU bereits Raubüberfälle und Sprengstoffanschläge verübt worden waren. Werner war im Sommer
2014 einer Aufforderung, die Asservate abzuholen, nicht
nachgekommen.
Die Fraktion DIE LINKE stellt fest, dass unter den vom
LKA Berlin kopierten Asservaten, die nicht vernichtet
und dem Untersuchungsausschuss übermittelten wurden, sich neben Adresszetteln, die in der Asservatenliste als Adresszettel Maik E. /André Eminger bezeichnet
werden, auch die handschriftlich notierte Adresse des
Caravanverleihs A. H. – mitsamt Straßenangabe und
Telefonnummer und dem Zusatz »Caravan« – befindet.
Bei dem Caravan-Verleih A.H. hatte das mutmaßliche
NSU-Kerntrio nachweislich Fahrzeuge unter Vorlage
von Identitätspapieren von Unterstützern angemietet,
um damit zu den Tatorten der rassistischen Mordserie
und des Mordes an der Polizistin Michéle Kiesewetter
zu fahren.140 Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass
das BKA entsprechende Ermittlungsschritte in Bezug
auf Autoanmietungen durch Jan Werner unternommen
hätte.
c) Zögerliche Ermittlungen zum mutmaßlichen
Aufenthalt Jan Werners in Begleitung von Mund­
los und Zschäpe am 7. Mai 2000 in Berlin
Trotz der Beweisaufnahme zu dem Hinweis eines
Schutzbeamten der Berliner Polizei, der am 7. Mai 2000
auf die mutmaßliche Anwesenheit von Jan Werner in
Begleitung der gesuchten Uwe Mundlos und Beate
Zschäpe sowie einer Freundin und damaligen Neonaziaktivistin von Jan Werner an der Synagoge Rykestraße
in Berlin, ermittelten BKA und Bundesanwaltschaft
zu diesem Komplex erst gründlicher, nachdem Nebenklagevertreter am OLG München entsprechende
Beweisanträge gestellt und auf die Befunde des ersten
Bundestagsuntersuchungsausschusses verwiesen
vgl. Die Welt vom 19.2.2016 »Bundesanwaltschaft vernichtete wichtige Dokumente«
140
Vgl. MAT-A-GBA-3, S. 352
139

(lfd. Nummern 1570 – 1573), ZF2, S. 3,
138
MAT-A-SN-2-3-2, Blatt 273
137

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