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Nicht zuletzt aufgrund dieser Anregung äußerte auch das
Kontrollgremium des Bundestages den Wunsch nach „angereicherten Erkenntnissen“. Daraufhin prüfte eine Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses der Konferenz der Justizministerinnen und -minister den Sachverhalt. Aufgrund des
als Ergebnis verfassten Berichtes hat die Konferenz im November 2001 dann zwar einige Präzisierungen der Erhebungsbögen sowie Hinweise hierzu beschlossen, die für die
Berichte ab dem Berichtsjahr 2002 relevant sein werden. Die
Wünsche bzw. Empfehlungen der Datenschutzbeauftragten
wurden jedoch nur in sehr geringem Umfang berücksichtigt.
Insbesondere soll auch in Zukunft nur die Anzahl der Beschuldigten bzw. der Wohnungsinhaber, auch wenn sie nicht
beschuldigt sind, genannt werden. Somit werden Angaben
über die Anzahl aller von der Maßnahme betroffenen Personen, also auch z. B. von unverdächtigen Familienangehörigen oder zufälligen Besuchern, weiterhin fehlen.
Nach meiner Auffassung ist dies jedoch, ohne dass ich hier
näher auf die mehr gesetzestechnische Begründung der Arbeitsgruppe eingehen möchte, im Ergebnis nicht ausreichend. Sinn und Zweck der Aufnahme von Angaben zu
Drittbetroffenen in die Berichte der Bundesregierung ist es,
dem „Artikel-13-Gremium“ des Bundestages einen Überblick darüber zu ermöglichen, wie viele unbescholtene Bürger von den Überwachungsmaßnahmen betroffen sind, um
bedenklichen Entwicklungen ggf. gegensteuern zu können.
Die Drittbetroffenen müssen daher jedenfalls in ihrer Gesamtzahl in dem Bericht an das Parlament aufgeführt werden (Umfang der Maßnahme). Ich appelliere deshalb dringend an die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die
Berichte in Zukunft insoweit erweitert werden und möchte
in diesem Zusammenhang auch die sonstigen Anregungen
der Entschließung vom 26. Juni 2000 nochmals in Erinnerung rufen.
Unter inhaltlichen Aspekten ist aus meiner Sicht bemerkenswert, dass die Anlasstaten sich wie schon in den Jahren 1998 und 1999 auch im Berichtszeitraum 2000 und
2001 im Wesentlichen auf Mord bzw. Totschlag und Betäubungsmitteldelikte beschränkten. Es scheint sich hier ein
andauernder Trend abzuzeichnen. Auffallend ist in diesem
Zusammenhang, dass bestimmte Katalogtaten des § 100c
Nr. 3 Buchstabe a bis f Strafprozessordnung (StPO) bisher
überhaupt noch nicht Anlass einer Überwachungsmaßnahme waren. Hierzu zählen z. B. Delikte wie Geld- oder
Wertpapierfälschung, schwerer Menschenhandel, gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei sowie Straftaten nach
dem Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz.
Dies hat auch die Bundesregierung in ihrem „Erfahrungsbericht zu den Wirkungen der Wohnraumüberwachung
durch Einsatz technischer Mittel“ vom 30. Januar 2002
(Bundestagsdrucksache 14/8155 S. 5) konstatiert. Nach ihrer Auffassung erschienen angesichts des geringen Anwendungsgrades der Maßnahme insgesamt Rückschlüsse auf
die Erforderlichkeit der Aufnahme dieser Straftaten in den
Katalog des § 100c Abs. 1 StPO jedenfalls verfrüht. Diese
Aussage erscheint mir jedoch zumindest fraglich. Immerhin sind bereits vier Jahre seit der Einführung des Instrumentes der akustischen Wohnraumüberwachung vergangen. Die Bundesregierung hat in ihrem Erfahrungsbericht
(a. a. O., S. 10) selbst darauf hingewiesen, dass die Bedeutung der Maßnahme für die Bekämpfung der Organisierten
Kriminalität von den Landesjustizverwaltungen zwar na-
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002
hezu einhellig betont wird, dies jedoch durch Einzelbeispiele nicht hinreichend belegt werden kann. Die von ihr
angekündigte Prüfung, ob eine bessere Erfolgskontrolle,
insbesondere durch entsprechende Forschungsaufträge, erreicht werden kann, bleibt abzuwarten (a. a. O., vgl. S. 13).
Angesichts der Intensität der Grundrechtseingriffe werde
ich darauf hinwirken, dass diese Prüfung möglichst auch
zeitnah abgeschlossen wird. Zustimmend zur Kenntnis genommen habe ich, dass die Bundesregierung derzeit zur
Einführung des Instrumentes der optischen Wohnraumüberwachung („großer Spähangriff“) keinen Handlungsbedarf sieht (a. a. O., S. 11 f.).
8.5
„Cyber Crime Convention“ –
Übereinkommen des Europarates
über Datennetzkriminalität
In meinem 18. TB (Nr. 6.10) habe ich über den Entwurf eines Übereinkommens des Europarates über Datennetzkriminalität berichtet, dem u. a. die Überzeugung zugrunde liegt,
dass eine wirksame Bekämpfung der Datennetzkriminalität
eine verstärkte und rasche internationale Zusammenarbeit in
Strafsachen verlangt. Das Übereinkommen ist am 23. November 2001 in Budapest von 26 Mitgliedsstaaten des Europarates – darunter auch Deutschland – sowie von Kanada,
Japan, Südafrika und den USA unterzeichnet worden. In
Kraft tritt die Konvention allerdings erst dann, wenn fünf
Unterzeichnerstaaten sie ratifiziert haben.
Das BMJ hat mich seit dem Frühjahr 1999 regelmäßig an
den Arbeiten zum Konventionsentwurf beteiligt. Erfreulicher Weise sind die – nicht zuletzt aufgrund meiner Stellungnahmen – bereits im Verlauf der Beratungen erreichten
inhaltlichen Verbesserungen auch noch in der endgültigen
Fassung des Übereinkommens enthalten. Dabei handelt es
sich insbesondere um solche bei den Bestimmungen zu
Überwachungsmaßnahmen im Bereich der elektronischen
Kommunikation. So ist die Befugnis zum „Abfangen“ der
so genannten Inhaltsdaten, also die Überwachung des Kommunikationsinhalts selbst nach Artikel 21 des Übereinkommens endgültig auf Verfahren bei schwerwiegenden Delikten, die nach innerstaatlichem Recht zu bestimmen sind,
beschränkt (für Deutschland vgl. insoweit §§ 100a, 100b
Strafprozessordnung – StPO). Hinsichtlich der Verbindungsdaten bestimmt das Vertragswerk, dass eine Erhebung oder
Aufzeichnung nur möglich ist, wenn nationale Bestimmungen nicht entgegenstehen. Auf diese Weise ist gewährleistet,
dass die hier inzwischen im deutschen Strafverfahrensrecht
erreichten Verbesserungen (nicht jedes Delikt rechtfertigt
jetzt mehr ein Auskunftsverlangen über Verbindungsdaten
an die Telekommunikationsdiensteanbieter, vgl. hierzu die
neu eingefügten §§ 100g, 100h StPO, s. o. Nr. 8.2.1) nicht
durch Regelungen des Übereinkommens unterlaufen werden. Schon im Entwurfsstadium konnte ich darüber hinaus
erreichen, dass Vorschriften bezüglich der Verpflichtung
von Telekommunikationsdiensteanbietern zur vorsorglichen
Speicherung von Verbindungs- und Nutzungsdaten gestrichen wurden.
Leider wurde meiner Forderung nicht entsprochen, in den
Bestimmungen über Verfahren bei Rechtshilfeersuchen (Artikel 27 und 28 des Übereinkommens) die datenschutzrechtlichen Regelungen zu verbessern. Es gab von deutscher Seite
hierzu den Vorschlag, Artikel 27 Abs. 4 des Übereinkommens dahin gehend zu ergänzen, dass eine Ablehnung des