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Anlage 15 (zu Nr. 10.7)
Entschließung zwischen der 61. und 62. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der
Länder vom 24. April 2001:
Veröffentlichung von Insolvenzinformationen im Internet
Dem Bundestag liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung der Insolvenzordnung (Bundestagsdrucksache 14/5680) vor. Danach sollen gerichtliche Entscheidungen – vor allem in Verbraucherinsolvenzverfahren – künftig
auch über das Internet veröffentlicht werden können, um
Kosten für Bekanntmachungen in Printmedien zu sparen.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
weisen darauf hin, dass Informationen aus Insolvenzverfahren, die in das Internet eingestellt sind, durch die Justiz nicht
räumlich begrenzt werden können. Darüber hinaus ist deren
Speicherung zeitlich nicht beherrschbar und die Daten können vielfältig ausgewertet werden. Dies kann dazu führen,
dass Dritte, etwa Auskunfteien oder Wirtschaftsinformationsdienste, die Daten auch nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens speichern und diese über längere Zeit im Internet
verfügbar sind. Die mit der Insolvenzordnung bezweckte
Chance der Schuldner auf einen wirtschaftlichen Neubeginn
würde letztlich auf Dauer beeinträchtigt, wenn sie zeitlebens
weltweit abrufbar am Schulden-Pranger stehen.
Der Gesetzgeber muss das Risiko für die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher, aufgrund einer möglichen
Auswertung justizieller Veröffentlichungen im Internet dauerhaft Einbußen bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr zu
erleiden, sorgfältig mit dem Interesse an der beabsichtigten
Senkung von Bekanntmachungskosten abwägen. Hierbei ist
auch die gesetzgeberische Wertung zu berücksichtigen, dass
Personen, für die ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, gerade nicht in das Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht
aufgenommen werden. Das Internet bietet im Gegensatz zu
einem gerichtlichen Verzeichnis letztlich keine Gewähr, die
ordnungsgemäße Pflege und die Löschung personenbezogener Daten sicherzustellen, die für die Betroffenen von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung sein können. Die
Datenschutzbeauftragten appellieren daher an den Gesetzgeber und an die Justizverwaltungen der Länder, die aufgezeigten Risiken insbesondere für Verbraucherinsolvenzen neu zu
bewerten. Die vorgenannten Überlegungen sind im Gesetzgebungsverfahren bisher nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden. Dabei sollten die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 9. März 1988 –
1 BvL 49/86 – zu einem vergleichbaren Sachverhalt einbezogen werden.
Es erscheint zu einfach, die Informationen im Internet in
gleicher Weise abzubilden wie in der Zeitung. Gerade das
Internet bietet neue Chancen und Möglichkeiten, Informationen gezielt nur denen zugänglich zu machen, die es angeht.
Gerade hier sind neue Wege möglich, die mit herkömmlichen Medien nicht erreicht werden konnten. Es gilt deshalb,
insbesondere zu untersuchen, ob dem Prinzip der Publizität
bei Veröffentlichungen im Internet nicht ein anderer Stellenwert zukommt und wie gravierende Nachteile für die Betroffenen vermieden werden können.
Bevor die geplante Änderung des § 9 InsO verabschiedet
wird, ist daher vorrangig zu klären, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen besser geschützt werden kann.
Auch in anderen Bereichen wird das Internet bereits genutzt,
erprobt oder die Nutzung erwogen, um justizielle Informationen bereitzustellen, z. B. die Handels-, Vereins-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister oder in Zwangsvollstreckungsverfahren. Inwieweit das Internet als Medium der im
Ergebnis unbegrenzbaren Informationsverarbeitung datenschutzrechtlich angemessen ist und welches Datenprofil ins
Internet eingestellt werden darf, muss differenziert in Übereinstimmung mit dem gesetzlich bezweckten Grad der Publizität der jeweiligen Daten entschieden werden. Jede gesetzgeberische Entscheidung für eine Veröffentlichung über
das Internet sollte aber im Hinblick auf deren besondere Risiken regeln, dass Veröffentlichungen befristet sind und dass
spezielle Vorkehrungen getroffen werden, um die Identität
und die Authentizität zu sichern sowie eine automatische
Übernahme der Daten zu verhindern (Kopierschutz).
Sollte sich der Gesetzgeber nach sorgfältiger Abwägung für
eine Veröffentlichung über das Internet entscheiden, so
muss er die Auswirkungen der Regelung aufgrund aussagefähiger Berichte der Landesjustizverwaltungen überprüfen.
Gegenstand dieser Überprüfung muss auch sein, ob die eingetretene Kostensenkung tatsächlich, wie von der Bundesregierung erwartet, einer größeren Anzahl von Schuldnerinnen und Schuldnern den Weg zur Restschuldbefreiung
eröffnet hat.
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002