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Anlage 12 (zu Nr. 19.2)
Entschließung der 61. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
vom 8. bis 9. März 2001:
Novellierung des G10-Gesetzes

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
sehen mit großer Sorge, dass die Empfehlungen des Rechtsund des Innenausschusses des Bundesrates erhebliche Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen
und Bürger zur Folge hätten, die über den Gesetzentwurf
der Bundesregierung teilweise weit hinausgehen. Die Datenschutzbeauftragten wenden sich insbesondere entschieden dagegen, dass

die Gefahr unverhältnismäßig aus, dass auch gegen Unbescholtene strafrechtlich ermittelt wird.
– Alle Neuregelungen wie z. B. zum Parteienverbotsverfahren, zur Verwendung von G10-Erkenntnissen bei Gefahren für Leib oder Leben einer Person im Ausland und
zu Spontanübermittlungen an den BND müssen befristet
und einer effizienten Erfolgskontrolle unterzogen werden.

– die Befugnisse der Nachrichtendienste zur Übermittlung
und Verwendung von G10-Daten an Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Gesetzentwurf noch deutlich erweitert werden sollen, indem Erkenntnisse der Nachrichtendienste u. a. zur Strafverfolgung weit über die
Schwerkriminalität hinaus genutzt werden dürften;

– Bei der internen Datenverarbeitung durch die Nachrichtendienste ist die Zweckbindung so zu formulieren, dass
die erhobenen Daten nicht zur Erforschung und Verfolgung anderer als der in § 3 und § 5 G10-E genannten
Straftaten genutzt werden dürfen.

– der Verzicht auf die Kennzeichnung von G10-Daten sogar ohne vorherige Zustimmung der G10-Kommission
zulässig sein und

– Die vorgesehenen Ausnahmen von der vom BVerfG geforderten Kennzeichnungspflicht bei der Übermittlung
von Daten, die aus G10-Maßnahmen stammen, begegnen schwerwiegenden datenschutzrechtlichen Bedenken.

– die Schwelle dafür, endgültig von der Benachrichtigung
Betroffener abzusehen, deutlich herabgesetzt werden
soll.
Darüber hinaus kritisieren die Datenschutzbeauftragten des
Bundes und der Länder, dass die Bundesregierung mit der
Gesetzesnovelle über die Vorgaben des BVerfG hinaus weitere Änderungen im G10-Bereich erreichen will, die neue
grundrechtliche Beschränkungen vorsehen:
– Die Anforderungen an die halbjährlichen Berichte des
zuständigen Bundesministers an die PKG müssen so gefasst werden, dass eine wirksame parlamentarische Kontrolle erreicht wird. Dies ist derzeit nicht gewährleistet.
Deshalb muss über Anlass, Umfang, Dauer, Ergebnis
und Kosten aller Maßnahmen nach dem G10-Gesetz sowie über die Benachrichtigung der Beteiligten berichtet
werden. Die gleichen Anforderungen müssen auch für
die Berichte der PKG an den Bundestag gelten.
– Die Neuregelung, nach der auch außerhalb der Staatsschutzdelikte mutmaßliche Einzeltäter und lose Gruppierungen den Maßnahmen nach dem G10-Gesetz unterliegen sollen, stellt das Trennungsgebot nach Artikel 87
Abs. 1 Satz 2 GG weiter infrage. Ermittlungen von der
Eingriffsschwelle eines konkreten Anfangsverdachts zu
lösen und nach nachrichtendienstlicher Art schon im
Vorfeld zur Verdachtsgewinnung durchzuführen, weitet

– Im Gesetzentwurf fehlt die Regelung, dass eine Weiterübermittlung an andere Stellen und Dritte nicht zulässig
ist. Sie darf nur durch die erhebende Stelle erfolgen. Die
Weitergabe von G10-Daten an andere Dienststellen ist
bei der übermittelnden Stelle stets zu dokumentieren und
zu kennzeichnen.
– Eine dauerhafte Ausnahme von der Benachrichtigungspflicht ist abzulehnen. Sie würde für die Betroffenen zu
einem Ausschluss des Rechtsweges führen.
– Dem BND wird nicht mehr nur die „strategische Überwachung“ des nicht leitungsgebundenen, sondern künftig des gesamten internationalen Telekommunikationsverkehrs ermöglicht. Dies setzt den Zugriff deutscher
Stellen auf Telekommunikationssysteme in fremden Hoheitsbereichen voraus. Dabei muss sichergestellt werden,
dass die Anforderungen des Völkerrechts eingehalten
werden.
– Die Überwachung internationaler Telekommunikationsbeziehungen im Falle einer Gefahr für Leib oder Leben
einer Person im Ausland (§ 8 G10-E) ermöglicht sehr intensive Grundrechtseingriffe in großer Zahl und mit einer hohen Dichte, die höher sein kann als bei „strategischen Überwachung“ nach § 5 G10-E. Dies setzt eine
hohe Eingriffsschwelle und enge zeitliche Befristungen
voraus, die der Entwurf nicht hinreichend vorsieht.

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

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