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30.3.2

Erhebung von Daten hinter dem Rücken
Wehrpflichtiger

Verschiedene Wehrersatzbehörden (Kreiswehrersatzämter,
Wehrbereichsverwaltungen) haben im Rahmen der Bearbeitung von Anträgen auf Zurückstellung oder Befreiung vom
Wehrdienst versucht, personenbezogene Daten der Antragsteller ohne deren Beteiligung bei anderen Stellen, wie
Hochschulen und Universitäten, zu erheben. Erbeten wurden u. a. Auskünfte zum Ausbildungsstand, zu Prüfungsterminen und zum voraussichtlichen Ende der Studiengänge.
Die betroffenen Wehrpflichtigen wurden über diese Datenerhebungen weder informiert noch wurde ihre Einwilligung
hierzu eingeholt. Diejenigen, die sich mit dieser Angelegenheit an mich gewandt haben, hatten lediglich durch Zufall
von dieser Verfahrensweise erfahren.
Entgegen meiner Auffassung, dass die zur Entscheidungsfindung der Wehrersatzbehörden im Antragsverfahren erforderlichen Daten in Ermangelung einer weitreichenderen
Erlaubnisnorm – etwa im Wehrpflichtgesetz – beim Betroffenen selbst zu erheben sind (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDSG in
der bis zum 22. Mai 2001 gültigen Fassung, § 4 Abs. 2
Satz 1 BDSG-neu), vertrat das BMVg zunächst die Ansicht,
dass die Auskunftserteilung durch die ausbildende Einrichtung in vielen Fällen unverzichtbar sei, da sachgerechte Entscheidungsgrundlagen nur durch umfassende Ermittlungen
direkt bei diesen zu erlangen seien. Das BMVg berief sich
darauf, dass es zulässig sei, personenbezogene Daten ohne
Mitwirkung des Betroffenen zu erheben, wenn die zu erfüllende Verwaltungsaufgabe ihrer Art nach eine Erhebung bei
anderen Stellen erforderlich macht und keine Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden (§ 13 Abs. 2
Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a) BDSG in der bis zum 22. Mai
2001 gültigen Fassung, § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a)
BDSG-neu). An die Erforderlichkeit sind insoweit jedoch
strenge Anforderungen zu stellen. Welche Gründe die Datenerhebung direkt bei den Bildungseinrichtungen in den vorliegenden Fällen tatsächlich im Sinne der genannten Vorschrift erforderlich gemacht haben sollen, konnte das
BMVg mir nicht überzeugend darlegen. Ich hatte insbesondere auch deshalb Zweifel an der Erforderlichkeit der Datenerhebung ohne Beteiligung der betroffenen Wehrpflichtigen, weil es in den mir bekannt gewordenen Fällen durchaus
möglich gewesen wäre, diese aufzufordern, die zur Entscheidung der Wehrersatzbehörde benötigten Informationen
selbst beizubringen und ggf. durch eine von der Hochschule
einzuholende Stellungnahme zu belegen.
Letztendlich habe ich mich mit dem BMVg darauf verständigen können, dass die zur Bearbeitung von Zurückstellungs- und ähnlichen Anträgen erforderlichen Daten grundsätzlich beim Antragsteller erhoben werden. Dieser legt
auch selbst die notwendigen Nachweise vor. Sollten diese
im Einzelfall nicht zur Entscheidungsfindung ausreichen,
wird beim Antragsteller eine schriftliche Einwilligung zur
Datenerhebung bei der in Frage kommenden anderen Stelle
eingeholt. Für den Fall, dass der Betroffene die Einwilligung nicht erteilt, entscheidet die Behörde nach Aktenlage.
Das BMVg hat die betroffenen Dienststellen angewiesen,
entsprechend zu verfahren und auch in den Fällen, in denen
bereits Auskunftsersuchen ohne Einwilligung der Betroffenen gestellt worden waren, von diesen abzusehen. Die Ver-

fahrensanweisung für das Wehrersatzwesen wurde ebenfalls
der beschriebenen Regelung angepasst.
Mit diesem datenschutzgerechten Verfahren ist es gelungen,
einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem
Recht der Wehrpflichtigen auf Wahrung ihres informationellen Selbstbestimmungsrechts und dem Bestreben der zuständigen Behörden nach sachgerechten Entscheidungen im
Wehrersatzwesen zu finden.
31

Zivildienst

31.1

Unzulässige Aufbewahrung von
Unterlagen über ein Strafverfahren

Eine Eingabe machte mich darauf aufmerksam, dass das
Bundesamt für den Zivildienst (BAZ) durch ein strafgerichtliches Verfahren entstandene Verwaltungsvorgänge unter Hinweis auf die Anwendung einschlägiger Vorschriften
des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) erst nach Ablauf
von drei Jahren aus den Personalakten betroffener Zivildienstleistender entfernt. Unterlagen aus Disziplinarverfahren (im mir vorgetragenen Fall aus gleichem Anlass eingeleitet) werden gem. § 69a Zivildienstgesetz (ZDG) mit
Zustimmung des Betroffenen hingegen bereits ein Jahr nach
Abschluss des Verfahrens aus den Personalakten entfernt
und vernichtet. Für den betroffenen ehemaligen Zivildienstleistenden war nicht nachvollziehbar, warum der im Rahmen des Strafverfahrens angefallene Verwaltungsvorgang
länger in seiner Personalakte aufbewahrt werden sollte als
der aus gleichem Anlass angelegte Vorgang über ein Disziplinarverfahren.
Das BAZ begründete die dreijährige Aufbewahrung der
strafgerichtlichen Vorgänge damit, dass sich diese Frist in
Ermangelung einer einschlägigen gesetzlichen Regelung
aus der analogen Anwendung von § 34 Abs. 1 Nr. 1 BZRG
ergäbe, wonach eine Verurteilung nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr in ein Führungszeugnis aufgenommen wird.
Eine solche analoge Anwendung von Fristen des BZRG auf
die Personalakten von Zivildienstleistenden halte ich nicht
für zulässig. So dient die Führung einer Personalakte vollkommen anderen Zwecken als die Führung des Bundeszentralregisters. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die
Dienstzeit der Zivildienstleistenden selbst nur elf Monate
beträgt und auch aus Gründen der Resozialisierung sollten
im Rahmen eines Strafverfahrens angefallene Unterlagen
nicht länger in der Personalakte aufbewahrt werden als dies
zur Aufgabenerfüllung der Personalverwaltung erforderlich
ist. Gründe, die es tatsächlich nötig machen, die im strafgerichtlichen Verfahren entstandenen Verwaltungsvorgänge
zwei Jahre länger in der Personalakte aufzubewahren als die
aus gleichem Anlass im Disziplinarverfahren entstandenen
Vorgänge, sind für mich nicht ersichtlich und konnten auch
vom BAZ nicht vorgebracht werden. Im vorliegenden Fall
kam hinzu, dass das Strafverfahren – ebenso wie das Disziplinarverfahren – eingestellt worden war und schon aus diesem Grund für das Dienstverhältnis nicht von so großer Bedeutung gewesen sein kann, dass die hierüber entstandenen
Unterlagen drei Jahre in der Personalakte hätten aufbewahrt
werden müssen.
Nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit halte ich die analoge Anwendung
der in § 69a ZDG festgelegten Aufbewahrungsfristen für die

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

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