– 143 –

fühlte sich zumindest finanziell gut abgesichert, da sie die
Übernahme der Kosten nicht nur von der gegnerischen
Haftpflichtversicherung verlangen konnte, sondern auch
von der gesetzlichen Unfallversicherung und ihrer privaten
Unfallversicherung. In dieser Hoffnung wurde sie jedoch
enttäuscht, da die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) als zuständiger gesetzlicher Unfallversicherungsträger unter Missachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften ein Gutachten in Auftrag gab,
das zu unrichtigen Ergebnissen kam. Über die Beanstandung in diesem Fall habe ich bereits im 18. TB (Nr. 23.1)
berichtet. Das rechtswidrig eingeholte Gutachten, demzufolge die schweren Gesundheitsschäden nicht auf den Unfall zurückzuführen wären, gelangte über eine Indiskretion
des beratenden Arztes auch zu der privaten Unfallversicherung und zur gegnerischen Haftpflichtversicherung. Obwohl
sich die ärztliche Einschätzung später als falsch erwies und
der Bescheid der BGW aufgehoben wurde, hatte die Petentin neben den körperlichen Leiden auch finanzielle Unsicherheiten und Einbußen zu ertragen, da die beiden privaten
Versicherungen aufgrund des unrichtigen Gutachtens ebenfalls nicht zahlten.
Auch wenn grundsätzlich bei jedem Unfall Datenübermittlungen zwischen den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern und den privaten Haftpflichtversicherern der Unfallgegner erfolgen und im Rahmen von so genannten
„Teilungsabkommen“ zur Erleichterung der Regressabwicklung alle Daten übermittelt werden, die benötigt werden, um
gegenüber der privaten Haftpflichtversicherung das Bestehen eines Anspruches nachzuweisen, halte ich allerdings
eine Konkretisierung dieser Datenübermittlungen auch bei
der Durchführung von Erstattungs- und Ersatzansprüchen
für wichtig, da sich sonst ein Betroffener, der sich mit einer
unrechtmäßigen Ablehnung seines Antrags durch die Berufsgenossenschaft auseinander setzen muss, aufgrund einer
vorschnellen und übermäßigen Übermittlung seiner Daten
möglicherweise mit den gleichen Einwänden durch den
Haftpflichtversicherer des Unfallgegners konfrontiert sieht.
Die BGW hat mir darin zugestimmt, dass im Hinblick auf
die hohe Sensibilität der Daten und die Verantwortung der
übermittelnden Stelle besonders hohe Anforderungen an die
Erforderlichkeit der Übermittlung zu stellen sind. Ein von
mir angeregtes Abwarten bis zur Bestandskraft des Bescheides hat die Berufsgenossenschaft aber abgelehnt, da in Regressverfahren zivilrechtliche Grundsätze und damit auch
Verjährungsfristen gelten, und bei umfangreichen, komplizierten Fällen mit einer langen Verfahrensdauer gerechnet
werden müsse. Dieses Argument vermag nicht vollständig
zu überzeugen: In der Vielzahl der Fälle wird es – wie bei
der geschilderten Eingabe – nicht um komplizierte Sachverhalte gehen. In den Fällen, in denen ein Versicherter Klage
gegen den ablehnenden Bescheid der Berufsgenossenschaft
erhebt, sodass es nunmehr auf die Rechtskraft und nicht
mehr auf die Bestandskraft ankommt, könnten andere Kriterien für eine gestaffelte Übermittlung herangezogen werden,
die sich an der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit
orientieren. Ich habe mich mit der BGW dahin gehend geeinigt, dass die BGW einige Fallgruppen von Datenübermittlungen an private Haftpflichtversicherer aufstellen wird, die
sich jeweils an der Erforderlichkeit ausrichten. Die BGW
hat zugesagt, wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser
Frage auch an den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften heranzutreten.

26.4

Welche Daten sind zur Festsetzung
der Beitragszahlungen erforderlich?

Im Berichtszeitraum lagen mir mehrere Anfragen von ambulanten Pflegediensten vor, ob die Praxis der zuständigen
Berufsgenossenschaft, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), zulässig ist, nicht
nur die nach dem SGB VII erforderlichen Angaben, sondern
darüber hinaus die Herausgabe der Arbeitsverträge und Gesellschaftsverträge zu verlangen. Nach der gesetzlichen Regelung der §§ 191, 192 SGB VII sind die Unternehmen verpflichtet, dem zuständigen Unfallversicherungsträger alle
für die Festlegung der Versicherungspflicht relevanten Angaben zu machen und insbesondere jede Veränderung in den
Gesellschaftsverhältnissen mitzuteilen. Die Regelung des
§ 192 Abs. 3 SGB VII, wonach dem Unfallversicherungsträger auf Verlangen auch Beweisurkunden vorzulegen sind,
steht unter dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Nach dem im Absatz 1 und 2 der Vorschrift festgeschriebenen Regelfall enthält der Unfallversicherungsträger die für
ihn erforderlichen Angaben durch die Mitteilung der Gesellschafter. Dieses dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Verfahren würde durch eine generelle Vorlagepflicht eines Urkundsbeweises anstelle einer bloßen
Mitteilung der Gesellschafter auf den Kopf gestellt. Ich
kann mich zwar der Argumentation der BGW nicht ganz
verschließen, wegen des hohen Anteils der Gesellschaftsform der GmbH und einer häufigen Änderung der Gesellschaftsanteile seien in der Vergangenheit vielfach die Änderungsmitteilungen unterblieben. Die generelle Anforderung
von Gesellschafts- und Arbeitsverträgen entgegen einer
vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz getragenen gesetzlichen Regelung scheint mir jedoch zu weit zu gehen, zumal
das Problem der BGW bei möglichen Vertragsänderungen
auch so nicht behoben ist. Ich habe der BGW ein klärendes
Gespräch angeboten, um eine datenschutzfreundlichere Lösung zu finden, und werde mich weiterhin dafür einsetzen.
26.5

Hilfe für den Staatsanwalt?

Verschiedene Unfallversicherungsträger (UVT) waren von
den jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften aufgefordert
worden, nach einem Arbeitsunfall eines Versicherten die Untersuchungsberichte des Technischen Aufsichtsdienstes herauszugeben, wenn der Verdacht bestand, der Unfall könnte
auf ein rechtswidriges Tun oder Unterlassen eines anderen
Beschäftigten zurückzuführen sein. Unter Berufung auf den
Sozialdatenschutz hatten die UVT das Herausgabeverlangen abgelehnt, während die Staatsanwaltschaften eine Herausgabe nach den allgemeinen Übermittlungsnormen des
Sozialgesetzbuches für zulässig erachteten. Dem Konflikt
um die rechtliche Auslegung der datenschutzrechtlichen
Vorschriften, die eine Herausgabe des Unfallberichts des
Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaften
betreffen, liegen verschiedene und durchaus berechtigte Interessen zugrunde. Für die Staatsanwaltschaften ist es sinnvoll, auf vorhandene Unterlagen zurückzugreifen, der geschädigte Arbeitnehmer hat möglicherweise ein Interesse an
einer umfassenden Aufklärung, da er nach einer Verurteilung wegen Körperverletzung auf diese Feststellung einen
Schmerzensgeldanspruch stützen kann. Der Beschuldigte
hingegen mag befürchten, dass die Ermittlungen verfälscht
werden, da der Unfalluntersuchungsbericht von juristischen
Laien in einem andern Zusammenhang erstellt wurde und bei

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

Select target paragraph3