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können, eine Empfehlung für alle Berufsgenossenschaften
auszusprechen, dieses Verfahren allgemein umzusetzen.
Ich habe mich wiederholt für das Recht der Versicherten
eingesetzt, im unfallversicherungsrechtlichen Feststellungsverfahren selbst einen Gutachter vorschlagen zu können.
Auf meine Anregung im 18. TB hin hat der Deutsche Bundestag das zuständige Ressort beauftragt, die Aufnahme des
Gutachtervorschlagsrechts der Versicherten in das SGB VII
zu prüfen.
26.1.2

Einsatz des beratenden Arztes im
Feststellungsverfahren

Wie in den Jahren zuvor lag auch in diesem Berichtszeitraum
der Schwerpunkt der Gutachterproblematik darin, ob dem
Versicherten die Rechte des § 200 Abs. 2 SGB VII auch dann
zu gewähren sind, wenn ein beratender Arzt des Unfallversicherungsträgers (UVT) zu einer Stellungnahme aufgefordert
wird. In zahlreichen Eingabefällen und bei Kontrollen habe
ich festgestellt, dass viele UVT dem Versicherten nicht mehrere Gutachter zur Auswahl benennen und ihm kein eigenes
Gutachtervorschlagsrecht gewähren, wenn ein Gutachtenauftrag an einen beratenden Arzt erteilt wurde. Die von den UVT
vertretene Auffassung, dass der beratende Arzt wie ein Mitarbeiter der Verwaltung tätig sei, die Weitergabe der Daten des
Versicherten keine Datenübermittlung, sondern eine interne
Nutzung der Daten innerhalb der Verwaltung sei und deshalb
ein Gutachten dieses Mitarbeiters ohne Berücksichtigung des
§ 200 Abs. 2 SGB VII eingeholt werden dürfe, widerspricht
dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift. Mit der Formulierung „vor Erteilung eines Gutachtenauftrages“ knüpft diese
Vorschrift inhaltlich an ein Gutachten an und unterscheidet
nicht zwischen einem internen und externen Gutachter. Eine
Aushebelung des Gutachterauswahl- und -vorschlagsrechts
entgegen der eindeutigen Intention des Gesetzgebers durch
Einführung eines im Gesetz nicht genannten Kriteriums habe
ich als unzulässig bewertet. Die mit der Schaffung des § 200
Abs. 2 SGB VII vom Gesetz beabsichtigte Verbesserung der
Verfahrenstransparenz und Stärkung der Mitwirkungsrechte
des Versicherten lässt eine solche Auslegung nicht zu.
Auch das Bundesversicherungsamt (BVA), die Aufsichtsbehörde der Berufsgenossenschaften, hat sich dieser Argumentation nicht verschlossen. Zwar hält das BVA meine im
18. TB (Nr. 23.1) vorgestellten Fallkonstellationen, in denen
eine beratungsärztliche Tätigkeit angenommen werden
kann, für seine Aufgabenstellung nicht für hilfreich, da anhand dieser Kriterien eine nachträgliche Rechtsmäßigkeitsbewertung nur schwer nachvollziehbar sei. Ich habe jedoch
mit dem BVA Übereinstimmung erzielt, dass die Kriterien
zur Abgrenzung der Tätigkeit eines beratenden Arztes von
denen eines Gutachters im Rahmen der Auftragsvergabe berücksichtigt werden können. Nach dem Wortlaut des § 200
Abs. 2 SGB VII werden dem Versicherten die genannten
Rechte vor Erteilung eines Gutachtenauftrages gewährt. Für
die aufsichtsrechtliche Überprüfung im Rahmen dieser Vorschrift bietet es sich daher an, der Prüfung die Formulierung
des Gutachtenauftrages zugrunde zu legen. So kann beispielsweise anhand des Textes geprüft werden, ob damit nur
eine allgemeine Erläuterung medizinischer Begriffe oder
aber eine umfassende Begutachtung angefordert wird. Ich
halte das für eine gute Diskussionsgrundlage, von der Definition eines Zusammenhangsgutachtens auszugehen, wie sie
von den UVT für die Gebührenzahlung selbst entwickelt

wurde. Danach ist ein Zusammenhangsgutachten die eigenständige Ursachenbewertung der vorliegenden und erhobenen Befunde unter Heranziehung und Würdigung der in der
jeweiligen Anspruchsnorm aufgeführten Voraussetzungen.
Übertragen auf den Gutachtenauftrag im Sinne des § 200
Abs. 2 SGB VII sind dem Versicherten die in dieser Vorschrift genannten Rechte dann zu gewähren, wenn die Bitte
um Stellungnahme durch die Berufsgenossenschaft so formuliert ist, dass sie auf eine umfassende Bewertung ausgerichtet ist bzw. wenn die Formulierung unter Angabe der
Berufskrankheit so offen gehalten ist, dass eine umfassende
Bewertung zu erwarten ist. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Lösungsansatz, der sowohl der Aufsichtsbehörde die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglicht als auch die mit dem
HVBG bereits entwickelten Kriterien berücksichtigt, für
alle Beteiligten akzeptabel ist. Bei den auch weiterhin zu
führenden Gesprächen werde ich mich dafür einsetzen, dass
die Rechte der Versicherten auf eine Verbesserung der Verfahrenstransparenz und Mitwirkung im unfallversicherungsrechtlichen Feststellungsverfahren in größtmöglichem Umfange gewährleistet werden.
26.1.3

Arzt im Gerichtsverfahren: beratender
Arzt oder Gutachter?

In meinem 18. TB (Nr. 23.1.3.2) habe ich bereits berichtet,
dass sich die Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII, wonach
der UVT den Versicherten vor Erteilung eines Gutachtenauftrages mehrere Gutachter zur Auswahl benennen soll,
hauptsächlich auf diesbezügliche Entscheidungen der Verwaltung bezieht. Nach ihrem Wortlaut ist diese Vorschrift
jedoch auch anwendbar, wenn der UVT ein Gutachten während eines anhängigen Gerichtsverfahrens einholt. In dieser
Fallkonstellation weicht zwar die Interessenlage in einigen
Punkten von dem Hauptanwendungsfall ab; der Sozialdatenschutz bleibt jedoch auch hier erhalten. Die UVT können
nicht nach Belieben über die Daten der Versicherten verfügen. Auch als Beteiligter eines Sozialgerichtsverfahrens
bleiben sie – bezogen auf ihre eigene Datenverarbeitung –
den Regelungen des Sozialgesetzbuches unterworfen, soweit nicht das Sozialgerichtsgesetz etwas anderes bestimmt.
Damit gelten für die UVT für das Verfahren zur Beibringung eines Beweismittels nicht die Verfahrensregelungen
des Sozialgerichtsgesetzes, sondern die Bestimmungen des
Verwaltungsverfahrens nach dem Sozialgesetzbuch. Im
Rahmen dieser Regelungen können die UVT als Partei eines
Gerichtsverfahrens die Daten des Versicherten nutzen, um
ihre Rechtsauffassung zu stützen. Sie können beispielsweise
durch einen beratenden Arzt medizinische Sachfragen klären oder ein vom Gericht eingeholtes Gutachten erläutern
lassen. Die Einholung eines Gegengutachtens ist aber nur
im Rahmen der Vorschriften des Sozialgesetzbuches zulässig.
In letzter Zeit war ich mehrfach mit Eingaben befasst, in denen Versicherte der gesetzlichen Unfallversicherung sich
darüber beklagten, dass die jeweils zuständigen UVT während eines anhängigen Sozialgerichtsverfahrens ein Gutachten des beratenden Arztes eingeholt hätten, ohne ihm die
nach den datenschutzrechtlichen Regelungen des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Rechte zu gewähren. Ich habe den
UVT meine Auffassung mitgeteilt und die Löschung der unter Nichtbeachtung des § 200 Abs. 2 SGB VII eingeholten
Gutachten empfohlen. Dieser Empfehlung sind die UVT

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

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