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nationalen Kontrollinstanzen zusammen. Im Hinblick auf die
ausschließliche Bundeszuständigkeit für den Bereich der
Zollfahndung wird Deutschland dabei durch mich vertreten.
Die Gemeinsame Aufsichtsbehörde ist im Wesentlichen für
die datenschutzrechtliche Kontrolle des ZIS sowie des Aktennachweissystems, insbesondere bezüglich des von der
EU-Kommission betriebenen Zentralcomputers in Brüssel
zuständig und prüft dabei auftretende Anwendungs- und
Auslegungsschwierigkeiten. Im Hinblick auf die bisher fehlende technische Realisierung des Informationssystems ist
das Gremium nur selten zusammengetreten. Es ist jedoch
davon auszugehen, dass mit Aufnahme des Wirkbetriebes
des ZIS und des Aktennachweissystems die Anforderungen
an die Aufsichtsbehörde erheblich steigen werden.
16.4

Neapel II-Übereinkommen

In früheren Tätigkeitsberichten (vgl. u. a. 18. TB Nr. 13.3)
habe ich verschiedentlich über das Neapel II-Übereinkommen der EU-Mitgliedsstaaten zur gegenseitigen Amtshilfe
und Zusammenarbeit der Zollverwaltungen vom 18. Dezember 1997 berichtet. Ein entsprechendes Ratifizierungsgesetz
nach Artikel 59 Abs. 2 Grundgesetz zu diesem Übereinkommen ist am 31. Januar 2002 vom Deutschen Bundestag gebilligt worden; es ist am 11. Juni 2002 in Kraft getreten. Das
Übereinkommen bildet einen Meilenstein bei der Europäischen Kooperation im Bereich des Zolls in Ergänzung zu entsprechenden Regelungen in den Bereichen Justiz und Polizei
(vgl. Nr. 16.2). Neben einer verbesserten und erweiterten
Zusammenarbeit im Zollbereich erhalten die nationalen
Zollverwaltungen dadurch die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Observation und zu weiteren grenzüberschreitenden Erhebungsbefugnissen. Nach Artikel 25 des Vertrages sind die Zollverwaltungen jedoch verpflichtet, in jedem
Einzelfall den Schutz des Persönlichkeitsrechts zu gewährleisten. Im November 2002 hat die Bundesrepublik Deutschland die Beitrittsurkunde beim Verwahrer hinterlegt, sodass
der Vertrag 90 Tage später mit denjenigen Staaten in Kraft
treten kann, die ebenfalls von dieser Option Gebrauch machen. Dies sind derzeit sechs Staaten, darunter Frankreich
und die Niederlande. Ich werde zu gegebener Zeit überprüfen, ob und wie die deutschen Zollbehörden die vorgenannten datenschutzrechtlichen Anforderungen bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beachten.
17

Verfassungsschutz

17.1

Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes erweitert die Befugnisse
des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Kernpunkt des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (TBG)
vom 9. Januar 2002 (s. Nr. 2.2) sind die Änderungen im Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG – Artikel 1 TBG).
Dies beginnt mit der Erweiterung des Aufgabenbereichs des
Bundesamtes für Verfassungsschutz nach § 3 Abs. 1 Nr. 4
BVerfSchG auf die Sammlung und Auswertung von Informationen über inländische Bestrebungen, die sich gegen den
Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 GG),
insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 GG) richten. Leider ist der Gesetzgeber meiner Anregung nach einer Konkretisierung dieser
Rechtsbegriffe – wie in § 4 des Gesetzes für die anderen
Schutzgüter – nicht gefolgt, was im Hinblick auf die nach-

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

folgend skizzierten erweiterten Befugnisse des BfV nicht
unbedenklich ist.
Besonders gravierend für das Persönlichkeitsrecht sind
die neuen Befugnisse des BfV, gem. § 8 Abs. 5 bis 8
BVerfSchG Auskünfte bei Banken, Post-, Telekommunikations-, Teledienst- und Flugunternehmen über Bankkonten
und Postfächer, über Transportleistungen, Telekommunikationsverbindungs- und Teledienstenutzungsdaten einzuholen. Die G10-Kommission wird – über ihren bisherigen
Aufgabenbereich hinaus – beteiligt. Ich vertrete die Auffassung, dass aus der Erhebungsbefugnis des BfV nicht
zwangsläufig eine entsprechende Auskunftspflicht der ersuchten nicht öffentlichen Stelle folgt. Vielmehr dürfen die
Auskünfte nur erteilt werden, wenn die unterschiedlich ausgestalteten materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Datenübermittlung bei den ersuchten Stellen gegeben sind.
Gleichwohl habe ich erhebliche Bedenken gegen diese
neuen Befugnisse, auch wenn sie nur Ersuchen im Einzelfall
zulassen, weil es sich im Grunde um polizeiliche Befugnisse
handelt und die Daten bei Vorliegen der Voraussetzungen an
die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden.
Des Weiteren wurde in § 9 Abs. 4 BVerfSchG erstmals eine
gesetzliche Grundlage für den Einsatz des so genannten
IMSI-Catcher durch den Verfassungsschutz geschaffen. Wegen der technischen Einzelheiten zu dieser Erhebungstechnik verweise ich auf die Ausführungen zu der Parallelregelung in § 100i Strafprozessordnung (s. Nr. 8.2.4). Meine
Bedenken gegen die Regelung bestehen insbesondere darin,
dass auch schutzwürdige Interessen Dritter durch solche
Maßnahmen beeinträchtigt werden können. Immerhin ist es
gelungen, im Verlaufe der Beratungen die Regelung durch
verfahrenssichernde Vorkehrungen aus dem Artikel 10-Gesetz zu entschärfen.
Einer alten Forderung des Verfassungsschutzes folgend
sind die Fristen für Datenspeicherungen aufgrund von § 3
Abs. 1 Nr. 3 (gewaltgeneigter Ausländerterrorismus) und
Nr. 4 – neu – BVerfSchG (völkerrechtswidrige Bestrebungen) auf 15 Jahre verlängert bzw. neu festgelegt worden. In
Anbetracht der Tatsache, dass diese Erkenntnisse vielfach
nur auf tatsächlichen Anhaltspunkten für solche Bestrebungen beruhen, ist dies eine bedenkliche Verschlechterung für
das Persönlichkeitsrecht Betroffener. Immerhin ist es trotz
gegenteiliger Bemühungen der Sicherheitsbehörden gelungen, die gesetzliche Verpflichtung zur Prüfung der Datenspeicherung im Einzelfall bzw. spätestens nach fünf Jahren
beizubehalten.
Schließlich ist in § 18 Abs. 1a – neu – BVerfSchG dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und
den Ausländerbehörden der Länder die Verpflichtung auferlegt worden, von sich aus die jeweils zuständige Verfassungsschutzbehörde über die ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten über
Bestrebungen und Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG
zu unterrichten. Das gilt auch für einfache extremistische
Bestrebungen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Übermittlung für die Aufgabenerfüllung des
Verfassungsschutzes erforderlich ist. Dies bedeutet eine erhebliche Ausweitung der schon bestehenden Unterrichtungspflicht auf alle in § 3 Abs. 1 BVerfSchG genannten
Schutzgüter bei gleichzeitiger Absenkung der Übermittlungsschwelle. Denn im Falle des § 18 Abs. 1 BVerfSchG

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