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erfolgen, von der bisherigen Vorabkonsultation der anderen
Vertragsparteien durch das ausschreibende Land abgesehen
werden soll. Statt dessen ist nur noch eine Unterrichtung
über solche sensiblen Maßnahmen vorgesehen.
Die Rechtsaktentwürfe enthalten jedoch auch aus datenschutzrechtlicher Sicht begrüßenswerte Vorschläge. So soll
in Zukunft jede Übermittlung aus dem SIS zur Kontrolle der
Zulässigkeit des Abrufs protokolliert werden. Bisher war nur
eine Protokollierung von durchschnittlich jedem zehnten
Abruf obligatorisch. Zudem wird eine normenklare Rechtsgrundlage für die Aktivitäten der nationalen SIRENE-Büros
geschaffen. Beide Vorschläge entsprechen Forderungen der
gemeinsamen Kontrollinstanz, die diese schon vor Jahren
erhoben hat. Bei Redaktionsschluss war in den Ratsgremien
und beim Europäischen Parlament über die Initiativen Spaniens noch nicht entschieden.
16.2.2
Neues Verfahren bei missbräuchlich
verwendeter Identität bringt keine
substanziellen Verbesserungen, dafür
aber ein Mehr an zusätzlichen Daten
Weiterhin habe ich in meinem 18. TB unter Nr. 11.10.3 über
eine datenschutzrechtlich bedenkliche Praxis in Fällen berichtet, in denen eine im SIS ausgeschriebene Person die
Identität einer dritten unbescholtenen Person benutzt. Zu
Problemen kann es für die unbescholtene Person dann kommen, wenn bei einer Personenkontrolle an der Grenze oder
bei der Beantragung eines Visums festgestellt wird, dass deren Personalien als Alias-Personalien dem Datensatz einer
anderen Person zugespeichert werden, die im SIS ausgeschrieben ist und sich durch Vorlage eines in Verlust geratenen oder gestohlenen Ausweispapiers der Identität der unbescholtenen Person bedient. In einem solchen „Trefferfall“
hat die unbescholtene Person nachzuweisen, dass sie nicht
mit der ausgeschriebenen Person identisch ist. Dies ist in der
Regel mit Unannehmlichkeiten und mit zeitintensiven Identitätsfeststellungen verbunden.
Zur Lösung des Problems hatte das BKA bis Mitte des Jahres 2001 dem Betroffenen nach dessen erkennungsdienstlicher Behandlung eine so genannte Identitätsbescheinigung
ausgestellt, mit der er seine wahre Identität im Falle einer
polizeilichen Kontrolle nachweisen konnte. Gegen dieses
Verfahren hatte ich trotz datenschutzrechtlicher Bedenken
letztlich keine Einwendungen erhoben, da ich hierin eine
Möglichkeit sah, die geschädigte Person möglichst zeitnah
zu erkennen und deren Beeinträchtigungen so gering wie
möglich zu halten.
Im Zusammenhang mit der Eingabe eines Petenten erlangte
ich davon Kenntnis, dass seit 12. Juli 2001 ein mit allen
Schengen-Vertragsstaaten abgestimmtes neues Verfahren
praktiziert wird. Seither ist es möglich, bei Datensätzen, die
nachweislich auf der missbräuchlichen Verwendung fremder Personalien beruhen, im SIS-Datensatz einen standardisierten Hinweis „Achtung: Diese Personalien, die einer
existenten Person gehören, werden von der gesuchten Person vermutlich missbräuchlich verwendet. Zusatzinformationen liegen beim nationalen SIRENE-Büro vor“ anzubringen. Ein solcher Hinweis wird jedoch erst dann angebracht,
wenn zuvor eine Identitätskontrolle durch Vergleich von
erkennungsdienstlichem Material – in der Regel Fingerabdrücken – durchgeführt wurde und zusätzliche personen-
BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002
bezogene Daten beim Betroffenen – bis hin zur Angabe der
Namen der Eltern – erhoben wurden. Diese Angaben werden in ein so genanntes Q-Formular eingestellt, das an alle
Schengen-Mitgliedsstaaten versandt wird. Der Betroffene
wird auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hingewiesen und
hat zudem eine Einverständniserklärung abzugeben, dass
die freiwillig abgenommenen Fingerabdrücke zu Vergleichszwecken im nationalen SIRENE-Büro beim BKA
aufbewahrt werden dürfen. Vor der Aufnahme eines solchen
Hinweises im SIS ist jedoch zu prüfen, ob die Fahndung als
solche oder zumindest der den Geschädigten belastende
Alias-Datensatz gelöscht werden kann.
Das Verfahren basiert auf Entscheidungen der zuständigen
EU-Ratsgremien, die die Grundsätze für das Verfahren festgelegt haben. Damit verbunden war – so das BMI – die Absicht, die gemeinsame Kontrollinstanz von Schengen (GKI)
über diese neue Übergangslösung zu unterrichten. Eine Beteiligung der GKI – wie auch eine Beteiligung meiner Behörde im nationalen Verfahren – ist jedoch bislang nicht
erfolgt. Das BMI hat zugesagt, den Vorsitz der Ratsarbeitsgruppe SIS auf die Unterrichtung der GKI hinzuweisen. Die
GKI hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit dieser Problematik befasst und dabei eine gemeinsame Lösung bis zur
Inbetriebnahme des SIS II gefordert. Eine nachträgliche Unterrichtung über ein bereits seit fast zwei Jahren praktiziertes schengenweit einheitliches Verfahren ist jedoch von einer gemeinsamen Lösung weit entfernt.
Ich verkenne zwar nicht die Verbesserungen, die das neue
Verfahren in technischer und verwaltungsmäßiger Hinsicht
gebracht hat, sehe jedoch in der neuen Regelung keine substanzielle datenschutzrechtliche Verbesserung. So werden
für das so genannte Q-Formular zahlreiche Zusatzinformationen – wenn auch auf freiwilliger Basis – erhoben, von denen nach meiner Auffassung nicht jede im konkreten Einzelfall erforderlich ist. Die für das Formular zu erhebenden
Daten müssen sich am jeweiligen Einzelfall orientieren.
Nicht in jedem Falle sind z. B. die Namen der Eltern des Betroffenen zur Identitätsfeststellung erforderlich. Ferner sollten – stärker als dies in der Vergangenheit der Fall war – die
Alias-Datensätze gelöscht werden, sodass es der Erstellung
und Versendung des Q-Formulars erst gar nicht bedürfen
würde. So halte ich z. B. aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Löschung dann für geboten, wenn das in
Verlust geratene oder gestohlene Ausweisdokument in der
Zwischenzeit sichergestellt worden ist und somit eine missbräuchliche Verwendung der falschen Identität faktisch ausgeschlossen ist.
Ich werde meine Bedenken zu dem neuen Verfahren und
Vorschläge für eine datenschutzfreundlichere Lösung in der
GKI, die hoffentlich bald beteiligt wird, weiterverfolgen.
16.2.3
Konsultationsverfahren nach Artikel 17
Abs. 2 SDÜ noch immer ohne
ausreichende Rechtsgrundlage
Im Rahmen der Erteilung von Schengen-Visa können die
Schengen-Mitgliedsstaaten bestimmen, dass bei Angehörigen bestimmter Länder vor einer Visumserteilung eine Konsultation der zentralen Behörde des eigenen Landes und ggf.
der zentralen Behörden der anderen Staaten erfolgen muss.
Zentrale Behörde in Deutschland ist das Auswärtige Amt
wie in den meisten anderen Mitgliedsstaaten. Die Mitglieds-