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handelt, die den Gedanken aufgreift, Datenschutz nicht restriktiv als Behinderung zu begreifen, sondern positiv einzusetzen als Mittel des wirtschaftlichen Wettbewerbs, als verkaufsförderndes Plus, das die Sorgen der Anwender und
Konsumenten aufgreift und ihnen abhilft, waren im Vorfeld
die Widerstände gegen diese Regelung erheblich. Ich bin
froh, dass der Anregung des Bundesrats in seiner Stellungnahme vom 29. September 2000 (Bundesratsdrucksache 461/00), diese Vorschrift zu streichen, im weiteren
Gesetzgebungsverfahren nicht gefolgt wurde.
Umso bedauerlicher ist, dass die Bestimmung bis heute leer
läuft, weil das nach § 9a Satz 2 BDSG erforderliche Ausführungsgesetz fehlt, das die näheren Anforderungen an die Prüfung und Bewertung, das Verfahren sowie die Auswahl und
Zulassung der Gutachter regeln soll. Das innerhalb der Bundesregierung hierfür zuständige Bundesministerium des Innern hat zunächst die Verwaltungshochschule Speyer mit
einer Gesetzesfolgenabschätzung beauftragt. Der Abschlussbericht sollte im Herbst 2002 vorliegen, stand aber bei Redaktionsschluss immer noch aus. Erst danach soll das Ausführungsgesetz in Angriff genommen werden.
Die durch dieses Verfahren eingetretene Verzögerung bedauere ich sehr und ich befürchte, dass der im Gesetz vorgegebene Ansatz Schaden leiden kann. In der Zwischenzeit
wurden und werden von unterschiedlichen Stellen zu unterschiedlichen Zwecken Datenschutzaudits entwickelt und
angeboten, bei denen völlig offen ist, ob sie den künftigen
gesetzlichen Anforderungen entsprechen werden. Sollte
dies nach In-Kraft-Treten des Ausführungsgesetzes zu § 9a
BDSG dann nicht der Fall sein, sind nicht nur die entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen vergeblich eingesetzt worden, es droht auch Verwirrung und Enttäuschung bei Unternehmen und Verbrauchern, die die
bereits angebotenen Datenschutzaudits mit Blick auf § 9a
BDSG einsetzen bzw. darauf vertrauen. Dies kann den richtigen Gedanken der Auditierung datenschutzgerechter Softund Hardware und von Datenschutzkonzepten entwerten.
Deswegen erwarte ich, dass das Ausführungsgesetz zu § 9a
BDSG jetzt zügig erarbeitet und verabschiedet wird, damit
endlich eine Auditierung auf dieser Grundlage beginnen
kann.
3.2.2

Videoüberwachung

Bereits in meinem 18. Tätigkeitsbericht (Nr. 2.1.3) habe ich
die neue Regelung des § 6b BDSG vorgestellt, die inzwischen mit der Novellierung am 23. Mai 2001 in Kraft getreten ist. Damit ist es erstmals gelungen, eine allgemeine
Rechtsgrundlage für die vielfältigen Videoüberwachungen
des öffentlich zugänglichen Raumes zu schaffen, die in gleicher Weise für öffentliche wie auch für nicht öffentliche
Stellen gilt. Im Gegensatz zu einer vielstimmigen Kritik, die
diese neue Vorschrift als zu weit gefasst ansieht und eine
stärkere gesetzliche Eingrenzung von Videoüberwachungen fordert, beurteile ich die jetzt geltende Regelung grundsätzlich positiv und sehe in ihr einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung einerseits und den berechtigten Belangen
derer andererseits, die eine Videoüberwachung für gesetzlich zugelassene Zwecke einsetzen. Angesichts der fortdauernden kritischen Bewertung ist es aber umso wichtiger,
dass die gesetzlichen Vorschriften strikt eingehalten werden.

Dabei kommt auch technischen und psychologischen Aspekten große Bedeutung zu (vgl. hierzu Nr. 4.1).
Leider habe ich aber feststellen müssen, dass die Umsetzung
der neuen Bestimmung nur schleppend erfolgt. So sind auch
anderthalb Jahre nach In-Kraft-Treten bei weitem nicht alle
von der gesetzlichen Regelung betroffenen Kameras entsprechend gekennzeichnet. Dies gilt nicht nur für nicht öffentliche Stellen, etwa in Parkhäusern oder vor Geldautomaten, sondern – wie ich auch anlässlich von Kontrollen
feststellen musste – vielfach auch für öffentliche Stellen.
Wie schwer sich auch diese mit der neuen Regelung tun,
veranschaulichen die Antworten der Bundesregierung auf
zwei Kleine Anfragen der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag zur Kennzeichnung videoüberwachter Bundesgebäude, von denen die erste (Bundestagsdrucksache 14/7905)
von einer unzutreffenden rechtlichen Wertung ausging und
auch die zweite (Bundestagsdrucksache 14/8263) nach meiner Bewertung nicht voll dem gesetzlichen Regelungsgehalt
entspricht. Ich habe mich deswegen mehrfach an das Bundesministerium des Innern gewandt, das daraufhin die Überwachung des öffentlich zugänglichen Raumes durch Videokameras für seinen Geschäftsbereich durch einen Erlass
vom 24. Juni 2002 geregelt hat, bei dessen Ausarbeitung ich
beteiligt war.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder hat sich im Berichtszeitraum regelmäßig mit
dieser Thematik befasst und eine Arbeitsgruppe eingesetzt,
die aufgrund der Erfahrungen mit der derzeitigen Regelung
Vorschläge für die von der Bundesregierung angekündigte
Zweite Stufe der BDSG-Novellierung erarbeiten soll. Ich
werde hieran aktiv mitarbeiten und auch in Zukunft mein
besonderes Augenmerk auf die Anwendung des § 6b BDSG
richten.
3.2.3

Selbstregulierung, § 38a BDSG

Artikel 27 Abs. 1 der europäischen Datenschutzrichtlinie
95/46/EG verpflichtet Mitgliedsstaaten und Kommission
zur Förderung der Ausarbeitung von Verhaltensregeln. Dabei liegt das Ziel ausdrücklich darin, die bereichsspezifische
Relevanz der aufgrund der Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften zu erhöhen. Im Rahmen der Umsetzung
dieser europäischen Vorgaben sollen nach § 38a BDSG Verhaltensregeln von Berufs- und Branchenverbänden als interne Regelungen zur ordnungsgemäßen Durchführung datenschutzrechtlicher Vorschriften beitragen. Die in § 38a
Abs. 1 BDSG genannten Verbände und Vereinigungen können von ihnen erarbeitete Verhaltensregeln der Datenschutzaufsichtsbehörde unterbreiten, die dann nach § 38a Abs. 2
BDSG die Vereinbarkeit der ihr unterbreiteten Entwürfe mit
dem geltenden Recht überprüft.
Infolge dieser neuen Möglichkeit haben im Berichtszeitraum eine Reihe von Verbänden und Konzernen im Wege
der Selbstregulierung entsprechende Verhaltensregeln ausgearbeitet und den jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden
vorgelegt. Dabei haben sich in der Praxis Unsicherheiten
und Schwierigkeiten ergeben, die sich nicht ohne weiteres
und unmittelbar anhand des Gesetzestextes lösen ließen und
die auch den Düsseldorfer Kreis beschäftigt haben. Im Wesentlichen ging es dabei um den möglichen Inhalt, die Verbindlichkeit solcher Regelungen und um den Prüfmaßstab
der Aufsichtsbehörden.

BfD 19. Tätigkeitsbericht 2001–2002

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