Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
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Drucksache 19/26103
Die Eingriffsschwellen im Falle der Auslandsaufklärung durch Eingriffe in informationstechnische Systeme können damit im Vergleich zu denen bei vergleichbaren Eingriffen im Inland abgesenkt sein.
Im Vergleich mit Maßnahmen der Ausland-Fernmeldeaufklärung ist aber aufgrund des mit dem Eingriff in informationstechnische Systeme von Ausländern im Ausland einhergehenden höheren Gewichts des Grundrechtseingriffs ein Mehr an Grundrechtsschutz erforderlich. Dem wird durch erhöhte formelle und materielle Hürden Rechnung getragen. Insbesondere sind die Schranken in Bezug auf die Erforderlichkeit des individuellen Eingriffs
erhöht (vgl. Absatz 1 Satz 2).
Die Befugnis umfasst neben der laufenden Telekommunikation auch auf dem informationstechnischen Gerät gespeicherte Kommunikations- und sonstige Daten, da deren Auswertung in den oben genannten Szenarien gleichfalls für die Auftragserfüllung des Bundesnachrichtendienstes zwingend notwendig ist. Das wird am Beispiel
eines in einem ausländischen militärischen IT-Netzwerk gespeicherten Dokuments deutlich. Das Beispiel verdeutlich auch, dass der Bundesnachrichtendienst Eingriffe in informationstechnische Systeme regelmäßig nicht
zur Erhebung persönlicher Daten individualisierter natürlicher Personen nutzt und diese auch nicht im Fokus
stehen, sondern – analog zur Datenerhebung im Rahmen strategischer Aufklärungsmaßnahmen – Personen primär
in ihrer beruflichen oder dienstlichen Funktion als Träger relevanter Informationen für die Aufklärung bestimmter
Themen oder Regionen relevant sind. Die Person, die das IT-System nutzt, steht als solche regelmäßig nicht im
Fokus der Aufklärung. Dem entsprechend sind auch private Daten der Person nicht Ziel des Eingriffs in das informationstechnische System. Soweit Eingriffe in informationstechnische Systeme im Ausnahmefall auf die Erhebung privater Daten von natürlichen Personen abzielen, sind diese in aller Regel dem terroristischen oder extremistischen Umfeld zuzuordnen. Als Beispiel seien hier auf privaten Endgeräten gespeicherte Kontaktlisten und
Fotos eines Terroristen oder abgespeicherte extremistische Manifeste genannt.
Zu Absatz 1
Die Befugnis erlaubt Eingriffe in und Datenerhebung aus informationstechnischen Systemen von Ausländern im
Ausland. Für die Auftragserfüllung des Bundesnachrichtendienstes ist die Erhebung von Daten aus informationstechnischen Systemen im Ausland unverzichtbar, denn für die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik
bedeutsame Informationen können in bestimmten informationstechnischen Systemen typischerweise in besonders
zuverlässiger, authentischer und konzentrierter Qualität gespeichert sein. In dieser Qualität können die Informationen durch Aufklärung mittels menschlicher Quellen nicht gewonnen werden. Die Datenerhebung umfasst die
auf dem informationstechnischen System gespeicherten Kommunikations- und sonstigen Daten sowie die laufende Kommunikation.
Die Maßnahme wird dabei – im Gegensatz zur gezielten Datenerhebung im Rahmen strategischer Aufklärungsmaßnahmen – immer „individuell“ angeordnet, d. h. bestimmt oder bestimmbar in Richtung einer oder mehrerer
natürlicher oder juristischer Personen oder einer Gruppierung natürlicher oder juristischer Personen im Ausland,
die durch einen zugrundeliegenden Sachverhalt miteinander verbunden sind (z. B. eine einzelne Person von besonderem nachrichtendienstlichem Interesse, eine terroristische Organisation und ihre Mitglieder und Unterstützer, ein Unternehmen im Zusammenhang mit der Proliferation von Massenvernichtungswaffen) oder – soweit
vorstehende Personen oder Gruppierungen nicht benannt werden können, da sie nicht konkret bekannt sind –
gegen ein informationstechnisches System im Ausland welches eindeutig benannt und identifiziert werden kann.
Die Rechtmäßigkeit jeder Anordnung ist vor deren Vollzug durch den Unabhängigen Kontrollrat zu prüfen (vgl.
§ 37 Absatz 4). Die individuelle Anordnung und die Prüfung auf Rechtmäßigkeit durch den Unabhängigen Kontrollrat vor Vollzug tragen dem mit dem Eingriff in informationstechnische Systeme einhergehenden großen Gewicht des Grundrechtseingriffs Rechnung.
Unter „technischen Mitteln“ im Sinne des Absatzes 1 sind informationstechnische nachrichtendienstliche Mittel
zu verstehen, die dem heimlichen Aufklären von informationstechnisch erzeugten und verarbeiteten Daten auf
einem Zielsystem bzw. in einem Zielbereich ohne oder gegen den Willen der Zielperson oder des Dateninhabers
dienen oder eine Teilhabe an solchen Daten ermöglichen. Die zum Einsatz kommenden nachrichtendienstlichen
Mittel können nicht abschließend dargestellt werden, da sie einer ständigen technischen Weiterentwicklung unterliegen. Die technischen Anforderungen an diese Mittel werden durch Absatz 4 normiert.
Absatz 1 Satz 2 sieht eine besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, bei der der besonderen Gewichtung des
Grundrechtseingriffs Rechnung zu tragen ist. Danach darf der Eingriff nur durchgeführt werden, wenn die Erhebung der Daten erforderlich ist, um Daten von besonderer außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung zu erheben