Drucksache 19/26103
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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
dem Bundesnachrichtendienst und der Bundeswehr im Rahmen der Funktion des Bundesnachrichtendienstes als
militärischer Auslandsnachrichtendienst dar (auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen).
Der Bundesnachrichtendienst verfolgt bei der Erhebung von Daten im Rahmen der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung einen strategischen und überregionalen Aufklärungsansatz. Hierbei ist ihm die Erhebung von
Inhaltsdaten grundsätzlich nur anhand von konkreten und hinreichend bestimmten Suchbegriffen gestattet (vgl.
§ 19 Absatz 5). Im Gegensatz dazu benötigt die Bundeswehr personenbezogene Daten zu bestimmten geografischen Gebieten bzw. Regionen. Insbesondere betrifft dies Daten mit räumlichem Bezug zu Bundeswehrcamps
oder Einsatzgebieten der Bundeswehr. Die Daten dienen insbesondere dem Schutz der Funktionsfähigkeit der
Bundeswehr mit dem Zweck der Verhinderung von Gefahren für Leib und Leben deutscher Soldatinnen und
Soldaten. Es handelt sich zum Beispiel um Daten im Zusammenhang mit Anschlagsdrohungen auf Bundeswehrcamps. Dem Schutz der Funktionsfähigkeit dienen aber auch Daten, die der Bundeswehr als Grundlage für taktisch-operative Entscheidungen im Auslandseinsatz dienen. So kann beispielsweise die Übermittlung von Daten
zu gegnerischen Kräften, z. B. Rebellengruppen, sowie zu deren Planungen der Bundeswehr ermöglichen, vor Ort
bereits im Vorfeld einer Gefahr für Leib und Leben die erforderlichen Gegenmaßnahmen zu veranlassen. Bei
diesen regional und thematisch begrenzten Aufgaben der Bundeswehr ist zudem stets ein unverzügliches Handeln
angezeigt. Daher besteht nicht in allen Fällen die Möglichkeit, hinreichend bestimmte Suchbegriffe für die Aufklärung eines entsprechenden Sachverhaltes bzw. relevanter Personen zu benennen. Entsprechende Suchbegriffe
müssten zunächst ermittelt bzw. generiert werden, was mit einer erheblichen Zeitverzögerung einherginge. Auch
sind derartige zeitkritische Informationen meist nur zu einem bestimmten Zeitpunkt von Relevanz, so dass eine
nachträgliche Verwendung entsprechender Suchbegriffe nicht zu demselben Ergebnis führen würde (zum Beispiel
Informationen zu Hindernissen auf Patrouillenwegen, Demonstrationen vor Ort, die für die Einsatzplanung erforderlich sind). Eine nachträgliche Verwendung entsprechender Suchbegriffe würde daher dem Bedarf der Bundeswehr an schnellstmöglicher Übermittlung relevanter Daten widersprechen. Vor diesem Hintergrund ist dem Bundesnachrichtendienst ausnahmsweise in Abweichung von den Vorgaben in Absatz 5 Satz 1 eine Übermittlung
von personenbezogenen Inhalts-, Verkehrs- und sonstigen Metadaten, die im Rahmen der Eignungsprüfung – und
damit nicht auf Grundlage von entsprechenden Suchbegriffen – erhoben wurden, zu den dort genannten Zwecken
gestattet. Die Übermittlung darf in diesen durch die Übermittlungszwecke streng begrenzten und häufig zeitkritischen Fällen auch automatisiert erfolgen.
Die Übermittlung zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr im Rahmen der Landes- oder Bündnisverteidigung und bei Auslandseinsätzen nimmt Bezug auf die vorgenannten Funktionen des Bundesnachrichtendienstes. Die Landes- und Bündnisverteidigung umfasst spiegelbildlich zu § 19 Absatz 4 Nummer 1 einerseits
nationale Verteidigungsinteressen der Bundesrepublik Deutschland und andererseits Verteidigungsinteressen internationaler Bündnisse bzw. Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit, an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist und stellt einen verfassungsunmittelbaren Kernauftrag der Bundeswehr dar (Artikel 87a Absatz 1
GG). Auslandseinsätze der Bundeswehr im Sinne dieses Gesetzes sind alle Formen des Einsatzes deutscher Streitkräfte. Dazu zählen mandatierte Einsätze, einsatzgleiche Verpflichtungen der Bundeswehr, die Beteiligung an
Missionen (NATO bzw. EU und VN), sowie besondere Einsatzformen (zum Beispiel Einsätze der Spezialkräfte
oder seegehender Einheiten) oder Evakuierungsoperationen. Der Begriff der Auslandseinsätze erstreckt sich dabei
auch auf den Einsatz der Streitkräfte in Gebieten jenseits nationaler Souveränität, z. B. auf der Hohen See. Für
die sichere Wahrnehmung dieser Aufträge ist die Bundeswehr auf schnelle Übermittlungen von Informationsaufkommen aus der Ausland-Fernmeldeaufklärung zwingend angewiesen.
Die politischen und rechtlichen Verpflichtungen, die aus der Mitgliedschaft in Bündnissen, Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Absatz 2 GG und ähnlichen Kooperationen einhergehen, rechtfertigen die Zulässigkeit von Übermittlungen im vorgenannten Sinne auch zum Schutz der Funktionsfähigkeit der
Streitkräfte von Mitgliedstaaten der Europäischen Union, des Nordatlantikvertrages oder der Europäischen Freihandelsassoziation.
Zudem darf eine automatisierte Übermittlung personenbezogener Daten erfolgen, wenn dies zum Schutz von Leib,
Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist.
Die im Rahmen dieser Norm erhobenen personenbezogenen Daten unterliegen grundsätzlich der Kennzeichnungspflicht nach § 19 Absatz 10. In diesem Fall erfolgt sie jedoch – insoweit abweichend von § 19 Absatz 10 –
nicht bereits unmittelbar nach der Datenerhebung, sondern erst bei der manuellen Auswertung der Daten im Sinne
dieses Absatzes. Eine Zuordnung ist erst zu diesem Zeitpunkt möglich.