Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode
– 69 –
Drucksache 19/26103
hierüber ist nach § 23 Absatz 5 Nummer 3 dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes zugewiesen. § 23
Absatz 7 sieht zudem vor, dass der Unabhängige Kontrollrat die Rechtmäßigkeit der Anordnungen der Suchbegriffe vor deren Verwendung prüft. Damit wird der verfassungsrechtlichen Vorgabe, den Schutz von Vertraulichkeitsbeziehungen durch eine gerichtsähnliche ex ante-Kontrolle abzusichern, umfassend Rechnung getragen.
Zu Absatz 3
Soweit die Erhebung von besonders schutzwürdigen Vertraulichkeitsbeziehungen erst im Rahmen der Auswertung bemerkt wird, bedarf es einer Prüfung, ob eine Erhebung dieser Daten nach den Voraussetzungen des Absatzes 2 materiell zulässig gewesen wäre, das heißt, ob die Weiterverarbeitung der erhobenen Daten notwendig
ist zur Verhinderung der in Absatz 2 genannten schweren Straftaten und Gefahren. Auch diese Entscheidung
unterliegt der umfassenden Rechtskontrolle durch den Unabhängigen Kontrollrat (vgl. BVerfG, a. a. O., Randnummer 195). Die Sätze 3 bis 5 regeln Einzelheiten zur Protokollierung der Löschung.
§ 22 (Kernbereichsschutz)
§ 22 regelt den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung im Rahmen der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung. Die Vorschrift sieht ebenso wie andere Regelungen (vgl. etwa § 100a Absatz 4 StPO und § 5a
G 10) zum Kernbereichsschutz im Bereich der Telekommunikationsüberwachung ein zweistufiges Schutzkonzept
vor, um den Betroffenen vor Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung zu
bewahren.
Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung gewährleistet dem Individuum einen Bereich höchstpersönlicher Privatheit und sichert einen dem Staat nicht verfügbaren Menschenwürdekern grundrechtlichen Schutzes gegenüber Überwachung. Selbst überragende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in diesen
absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen. Dies gilt auch gegenüber Nachrichtendiensten und auch für Aufklärungsmaßnahmen im Ausland. Zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich
privater Lebensgestaltung gehört die Möglichkeit, innere Vorgänge, Überlegungen und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen. Geschützt ist insbesondere die nichtöffentliche Kommunikation mit Personen des höchstpersönlichen Vertrauens, die in der berechtigten Annahme geführt wird, nicht aufgeklärt zu werden.
Solche Gespräche verlieren dabei nicht schon dadurch ihren Charakter als insgesamt höchstpersönlich, dass sich
in ihnen Höchstpersönliches und Alltägliches vermischen. Demgegenüber gehören z. B. die Besprechung und
Planung von Straftaten nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung, selbst wenn sie auch Höchstpersönliches zum Gegenstand haben. Dies bedeutet nicht, dass der Kernbereich unter einem allgemeinen Abwägungsvorbehalt in Bezug auf öffentliche Sicherheitsinteressen steht. Ein höchstpersönliches Gespräch fällt nicht dadurch
aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung heraus, dass die Kenntnis seiner Inhalte für die Aufklärung von
Straftaten oder die Abwehr von Gefahren hilfreiche Aufschlüsse geben kann. Geben Äußerungen hierbei ausschließlich innere Eindrücke und Gefühle wieder, ohne Hinweise auf konkrete Straftaten zu enthalten, gewinnen
sie nicht schon dadurch einen Gemeinschaftsbezug, dass sie Ursachen oder Beweggründe eines strafbaren Verhaltens freizulegen vermögen. Auch können trotz Straftatenbezugs Situationen, in denen Einzelnen gerade ermöglicht werden soll, ein Fehlverhalten einzugestehen oder sich auf dessen Folgen einzurichten, wie Beichtgespräche oder vertrauliche Gespräche mit einem Psychotherapeuten oder einem Strafverteidiger, der höchstpersönlichen Privatsphäre unterfallen (vgl. BVerfG, a. a. O., Randnummern 200 bis 202).
Ob eine personenbezogene Kommunikation diesem Kernbereich zuzuordnen ist, hängt davon ab, ob sie nach
ihrem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität sie aus sich heraus die Sphäre
anderer oder Belange der Gemeinschaft berührt. Maßgebend sind die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls.
Nicht zu diesem Kernbereich gehören Kommunikationsinhalte, die in unmittelbarem Bezug zu konkreten strafbaren Handlungen stehen, wie etwa Angaben über die Planung bevorstehender oder über begangene Straftaten.
Die Frage, ob eine Information im Rahmen der nachrichtendienstlichen Aufklärung unter den Schutz des Kernbereiches privater Lebensgestaltung fällt, ist also mit Blick auf das jeweilige Aufklärungsziel zu entscheiden (vgl.
BVerfG, NJW 2009, 2431, [2436]).
Zu Absatz 1
Auf Ebene der Datenerhebung bestimmt Absatz 1, dass eine zielgerichtete Erhebung kernbereichsrelevanter Daten unzulässig ist. Die Verwendung von Suchbegriffen ist danach unzulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte