Drucksache 19/26103

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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Mit seinem Urteil vom 19. Mai 2020 (1 BvR 2835/17) hat das Bundesverfassungsgericht erstmals entschieden, dass sich auch Ausländer im Ausland auf den
Schutzbereich des Artikels 10 Absatz 1 und des Artikels 5 Absatz 1 GG berufen
können.
Um diesen verfassungsgerichtlichen Vorgaben gerecht zu werden, müssen die
einschlägigen Normen des BND-Gesetzes grundlegend überarbeitet werden. Dabei soll der hervorgehobenen Rolle einer wirksamen Auslandsaufklärung und damit des Bundesnachrichtendienstes im Rahmen der Sicherheitsarchitektur der
Bundesrepublik Deutschland Rechnung getragen werden.
Das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Entscheidung vom 19. Mai 2020
das überragende öffentliche Interesse an einer wirksamen Auslandsaufklärung
(BVerfG 1 BvR 2835/17, Randnummer 161). In diesem Zusammenhang wird unterstrichen, dass die Versorgung der Bundesregierung mit Informationen für ihre
außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen ihr hilft, sich im machtpolitischen Kräftefeld der internationalen Beziehungen zu behaupten und folgenreiche
Fehlentscheidungen verhindert werden können (BVerfG, a. a. O., Randnummer
162). Insoweit geht es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts mittelbar
zugleich um die Bewahrung demokratischer Selbstbestimmung und den Schutz
der verfassungsrechtlichen Ordnung – und damit um Verfassungsgüter von hohem Rang. In Frage stehe mithin ein gesamtstaatliches Interesse, das über das
Interesse an der Gewährleistung der inneren Sicherheit als solche deutlich hinausgeht (BVerfG, a. a. O., Randnummer 162).
Das Bundesverfassungsgericht betont zudem, dass im Zuge der Entwicklung der
Informationstechnik und der internationalen Kommunikation, ebenso wie der engeren grenzüberschreitenden Verflechtung der Lebensbedingungen im Allgemeinen, Bedrohungen vom Ausland aus erheblich zugenommen haben. Die Früherkennung von Gefahrenlagen, die aus dem Ausland drohen, gewinnt dabei nach
Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts auch für die Sicherheit eine besondere Bedeutung. Die Erweiterung und Internationalisierung der Kommunikationsmöglichkeiten und die damit gesteigerte Politisierung und Organisationsfähigkeit
international agierender krimineller Gruppierungen führe dazu, dass innerstaatliche Gefahrenlagen oftmals durch Netzwerke international zusammenarbeitender
Akteure begründet sind und leicht eine außen- und sicherheitspolitische Dimension erhalten können. Derartige Aktivitäten zielen zum Teil auf eine Destabilisierung des Gemeinwesens ab und können zur Bedrohung für die verfassungsmäßige
Ordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder der Länder sowie für
Leib, Leben und Freiheit werden. Dies sind Rechtsgüter von überragendem verfassungsrechtlichem Gewicht, für deren Schutz der Gesetzgeber eine wirksame
und zugleich rechtsstaatlich eingehegte Auslandsaufklärung als unverzichtbar ansehen kann (BVerfG, a. a. O., Randnummer 163).
Das Bundesverfassungsgericht betont darüber hinaus, dass dem ungleich weiteren
Datenzugriff der strategischen Überwachung heute im Verhältnis zu der Situation
der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1999 ein gesteigertes
Gefahrenpotential gegenüberstehe. Vor allem aber hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass ein wichtiger Gesichtspunkt für die Rechtfertigungsfähigkeit
der strategischen Telekommunikationsüberwachung darin liege, dass die Folgen
dadurch etwas abgemildert werden, dass sie durch eine Behörde vorgenommen
wird, die selbst grundsätzlich keine operativen Befugnisse habe (BVerfG, a. a. O.,
Randnummer 164 f.). Da die Daten gerade von einer Behörde erhoben werden,
die keine eigenen operativen Befugnisse hat, ist eine weitere Datenverwendung
zunächst von einer in Distanz zu eigenen Handlungsverantwortlichkeiten vorgenommenen Sichtung der Daten abhängig. Erst ihre Übermittlung zur operativen

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