Drucksache 19/26103

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Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

mationsgewinnung durch den Bundesnachrichtendienst. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt für Überwachungsmaßnahmen Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und Kontrolle (vgl. m. w. N.
BVerfGE 141, 220, [282 ff.]). In Bezug auf Transparenz und individuellen Rechtsschutz sind diese für die technische Auslandsaufklärung allerdings zurückgenommen. Im Ausgleich hierfür sind dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Anforderungen an eine unabhängige objektivrechtliche Kontrolle zu entnehmen (vgl. BVerfGE 133, 277, [369]; 141, 220, [284 f]). Eingerichtet wird daher eine mit abschließenden Entscheidungsbefugnissen verbundene, gerichtsähnliche Rechtskontrolle durch das gerichtsähnliche Kontrollorgan in Bezug auf die wesentlichen Verfahrensschritte der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung. Weiter prüft das administrative
Kontrollorgan eigeninitiativ stichprobenmäßig den gesamten Prozess der technischen Aufklärung auf seine Rechtmäßigkeit hin. Durch die einheitliche Behördenstruktur ist zwischen beiden Säulen ein offener und unmittelbarer
Austausch gewährleistet, um dem Gebot einer wirksamen und kohärenten Kontrolle nachkommen zu können
(BVerfGE, a. a. O., Randnummer 297).
Mit dem Unabhängigen Kontrollrat wird das im Jahr 2016 ins Leben gerufene Unabhängige Gremium abgelöst
und fortentwickelt. Aus drei Mitgliedern und drei Stellvertretern, die im Nebenamt tätig sind, wird ein gerichtsähnliches Kontrollorgan des Unabhängigen Kontrollrates bestehend aus drei Spruchkörpern mit Mitgliedern im
Hauptamt.
Zu Absatz 1
Der Unabhängige Kontrollrat ist eine oberste Bundesbehörde. Die Ausgestaltung als oberste Bundesbehörde trägt
den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Merkmalen für eine Rechtskontrolle umfassend Rechnung. Sie
stellt insbesondere die Unabhängigkeit der Tätigkeit des Kontrollorgans sicher. Eine auch nur mittelbare Einflussnahme durch eine übergeordnete Behörde wird so ausgeschlossen. Weiterhin trägt diese Behördenstruktur den
besonderen Anforderungen an die Rechtskontrolle der technischen Aufklärung des Bundesnachrichtendienstes
Rechnung.
Mit der Ausgestaltung als oberste Bundesbehörde wird die Rechtskontrolle des Bundesnachrichtendienstes in
Bezug auf die technische Aufklärung (neben der dienstinternen und der Fach- und Dienstaufsicht durch das Bundeskanzleramt) an die Exekutive angebunden, sodass gleichzeitig dafür Sorge getragen ist, dass die Kontrolle
nicht durch die sogenannte Third Party Rule behindert wird (BVerfG, a. a. O. Leitsatz 8).
Die Anbindung an die Exekutive muss aber, bereits zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit, von einer, wenn auch nur
faktischen, Nachordnung Abstand nehmen. Zugleich hat die objektivrechtliche Kontrolle in einem gewissen Abstand zu den Aufgaben der klassischen, ministeriellen Exekutive zu stehen. Dies wird durch die Ausgestaltung
als oberste Bundesbehörde in eindeutiger Art und Weise umgesetzt. Durch die Schaffung einer neuen Behörde
gegenüber der Angliederung an eine bereits bestehende Behörde übt der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum
aus (BVerfG, a. a. O., Randnummer 282). Gleichzeitig wird so in unzweifelhafter Weise gewährleistet, dass weitere Zwecke, denen bereits bestehende Behörden zwangsläufig bereits unterliegen, nicht mit der gewünschten
Unabhängigkeit der Rechtskontrolle konfligieren können.
Zu Absatz 2
Die oberste Bundesbehörde Unabhängiger Kontrollrat wird von einer Präsidentin oder einem Präsidenten geleitet.
Ihr oder ihm untersteht der Unabhängige Kontrollrat bestehend aus dem gerichtsähnlichen und dem administrativen Kontrollorgan insgesamt. Die Präsidentin oder der Präsident leitet die Verwaltung des Unabhängigen Kontrollrates und übt entsprechend die Dienstaufsicht aus.
Zu Absatz 3
Es handelt sich um eine klarstellende Regelung, da mit der Ausgestaltung des Unabhängigen Kontrollrates als
oberste Bundesbehörde dessen Unabhängigkeit einhergeht. Dabei bedeutet „unabhängig“, dass es weder eine
rechtliche Abhängigkeit geben darf noch, dass wirtschaftlicher, politischer oder sonstiger Druck ausgeübt wird
(Brand, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 214 Schlichtungsstelle, Randnummer 11). „Nicht weisungsabhängig“ bedeutet, dass er bei der Ausübung der ihm gesetzlich zugewiesenen Tätigkeit faktisch keinen Beschränkungen und Einflussnahmen von dritter Seite unterworfen ist (Brand, a. a. O.) Der Unabhängige Kontrollrat ist
zugleich zur Unabhängigkeit verpflichtet und darf nicht an anderer Stelle um Weisung ersuchen. Er ist gleichzeitig
der Exekutive zuzuordnen, sodass die Kontrolltätigkeit nicht durch die „Third Party-Rule“ eingeschränkt wird.

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