- 92 sie die nach Absatz 2 übermittelten Daten für die Erstellung von eigenen Lagebildern nutzen. Ebenso kann sich aus diesen Daten für den Empfänger die abstrakte Erforderlichkeit
ergeben, die Schwerpunkte der eigenen Arbeit aufgrund der z.B. erkennbaren politischen
Veränderungen in relevanten ausländischen Staaten anzupassen. Sollte sich aus den Daten ein operativer Handlungsbedarf ergeben, greifen die Regelungen über die Zweckänderung und es müssen die Voraussetzungen der Absätze 3 oder 4 vorliegen.
Zu Absatz 3
Absatz 3 regelt die Übermittlung der mit dem Zweck der Gefahrenfrüherkennung gemäß
§ 19 Absatz 1 Nummer 2 gekennzeichneten personenbezogenen Daten an Strafverfolgungsbehörden. Er gestattet die Übermittlung personenbezogener Daten zur Verfolgung
besonders schwerer Straftaten. Gemäß den Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Mai 2020 erfolgt die nähere Konkretisierung der besonders schweren Straftaten im Rahmen eines enumerativen und abschließenden Straftatenkatalogs
(BVerfG, a.a.O., Randnummer 221). Dabei wurde in Anlehnung an die vergleichbare Eingriffsintensität der Straftatenkatalog des § 100b Absatz 2 der Strafprozessordnung herangezogen. Zudem ist eine Übermittlung auch zur Verfolgung vorsätzlich begangener Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes möglich. Denn diese Normen
des Außenwirtschaftsrechts stellen bei wertenden Betrachtung gleichermaßen besonders
schwere Straftaten dar. Das Außenwirtschaftsgesetz verfolgt den Schutz außen- und sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland, mithin den Schutz von Kollektivgütern, wie Sicherheit und Bestand der Bundesrepublik oder eines anderen Landes.
Ausfuhrrechtliche Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz zielen auf die Verbreitung
und Förderung von ABC-Programmen bzw. Massenvernichtungswaffen ab. Verstöße hiergegen können also, auch über den konkreten Einzelfall hinaus, eine schwerwiegende Gefährdung der außen- und sicherheitspolitischen Belange der Bundesrepublik bedeuten und
ihren Bestand und ihre Sicherheit bedrohen. Dies gilt gleichermaßen in Fällen, in denen ein
Verstoß gegen Embargoverordnungen oder andere einschlägige Verordnungen der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen (z. B. die Dual-Use-Verordnung der Europäischen Union) zu befürchten ist und durch den Bundesnachrichtendienst aufgeklärt werden
soll. Sowohl die besondere Bedeutung der geschützten Rechtsgüter als auch das besondere öffentliche Interesse an einer entsprechenden Strafverfolgung sprechen daher für eine
Qualifikation von §§ 17, 18 des Außenwirtschaftsgesetz als besonders schwere Straftaten
und damit für eine Zulässigkeit der Übermittlung entsprechender Daten an die zuständigen
Strafverfolgungsbehörden.
Zu Absatz 4
Absatz 4 regelt insbesondere die Übermittlung der mit dem Zweck der Gefahrenfrüherkennung gekennzeichneten personenbezogenen Daten an die in Absatz 2 genannten Stellen
zum Zweck der Weiterverarbeitung der Daten für Folgemaßnahmen mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber dem Betroffenen, insbesondere der Gefahrenabwehr. Der Empfänger darf die so übermittelten personenbezogenen Daten dementsprechend über den bloßen Unterrichtungszweck nach Absatz 2 hinaus weiterverarbeiten. Es sind also neben der
Weiterverarbeitung zur Vorbereitung exekutiver Folgehandlungen auch exekutive Folgemaßnahmen möglich, die eine unmittelbare Außenwirkung für den Betroffenen entfalten
und diesen daher in besonderem Maße belasten.
Nummer 1
Nummer 1 eröffnet die Möglichkeit zur Datenübermittlung, wenn dies in anderen Rechtsvorschriften für den Bundesnachrichtendienst ausdrücklich vorgesehen ist. Eine vergleichbare Norm findet sich in § 25 Absatz 2 Nummer 1 des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG).
Sie entspricht dem sogenannten Doppeltürmodell des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 130, 151). Eine solche Übermittlungsbefugnis ist insbesondere in Konstellationen rele-