- 78 Ob eine personenbezogene Kommunikation diesem Kernbereich zuzuordnen ist, hängt davon ab, ob sie nach ihrem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und
Intensität sie aus sich heraus die Sphäre anderer oder Belange der Gemeinschaft berührt.
Maßgebend sind die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls. Nicht zu diesem Kernbereich gehören Kommunikationsinhalte, die in unmittelbarem Bezug zu konkreten strafbaren
Handlungen stehen, wie etwa Angaben über die Planung bevorstehender oder über begangene Straftaten. Die Frage, ob eine Information im Rahmen der nachrichtendienstlichen
Aufklärung unter den Schutz des Kernbereiches privater Lebensgestaltung fällt, ist also mit
Blick auf das jeweilige Aufklärungsziel zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 2009, 2431,
[2436]).
Zu Absatz 1
Auf Ebene der Datenerhebung bestimmt Absatz 1, dass eine zielgerichtete Erhebung kernbereichsrelevanter Daten unzulässig ist. Die Verwendung von Suchbegriffen ist danach unzulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass durch ihre Nutzung ausschließlich Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden.
Für die Datenerhebung und den Einsatz von Suchbegriffen im Bereich der strategischen
Ausland-Fernmeldeaufklärung sind weitere, über das Verbot der gezielten Kernbereichserfassung hinausgehende, gesetzliche Vorkehrungen nicht geboten. Da sich aus den Suchbegriffen als solchen in der Regel nicht erkennen lässt, dass mit entsprechender Wahrscheinlichkeit kernbereichsrelevante Kommunikation erfasst wird, bedarf es keiner spezifischen Regelungen, die darauf gerichtet sind, kernbereichsrelevante Suchbegriffe im Vorfeld auszusondern. Dies lässt unberührt, dass, soweit der Einsatz von Suchbegriffen erkennbar eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Erfassung kernbereichsrelevanter Kommunikation birgt, diese nach Möglichkeit informationstechnisch schon im Vorfeld von der Erhebung ausgeschlossen werden müssen (vgl. BVerfG, a.a.O., Randnummer 206).
Zu Absatz 2
Kommt es trotz Absatz 1 zur Erhebung kernbereichsrelevanter Daten, schreibt Absatz 2 ein
umfassendes Verwertungsverbot, ein unverzügliches Löschungsgebot sowie eine entsprechende Pflicht zur Protokollierung der Löschung vor.
Zu Absatz 3
Auf der Ebene der händischen Datenauswertung ist gesetzlich sicherzustellen, dass die
weitere Auswertung unverzüglich unterbrochen werden muss, wenn erkennbar wird, dass
eine Überwachung in den Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung eindringt. Schon bei
Zweifeln darf ihre Fortsetzung – vorbehaltlich von Regelungen für Eilfälle – nur in Form von
Aufzeichnungen erlaubt werden, die vor ihrer Auswertung von einer unabhängigen Stelle
zu sichten sind. Dabei ist klarzustellen, dass Erkenntnisse aus dem höchstpersönlichen
Lebensbereich nicht verwertet werden dürfen und unverzüglich zu löschen sind. Dies ist zu
protokollieren und die Löschungsprotokolle müssen zur Gewährleistung einer datenschutzrechtlichen Kontrolle hinreichend lange aufbewahrt werden (vgl. BVerfG, a.a.O., Randnummer 200 bis 207).
Absatz 3 enthält vor diesem Hintergrund eine Regelung für Fälle, in denen Zweifel bestehen, ob die erhobenen Daten dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sind
und die Weiterverarbeitung der Daten erforderlich ist. Der Bundesnachrichtendienst hat die
relevanten Daten in diesen Fällen dem Unabhängigen Kontrollrat vorzulegen, der die
Rechtmäßigkeit der Weiterverarbeitung prüft. Stellt dieser fest, dass die Daten dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen sind, gilt ein umfassendes Verwertungsverbot, ein unverzügliches Löschungsgebot sowie eine entsprechende Pflicht zur Protokollierung der Löschung.