- 77 die zeugnisverweigerungsberechtigte Person Täter oder Teilnehmer einer der in § 29 Absatz 3 genannten Straftaten ist, sowie zur Verhinderung der in Absatz 2 beschriebenen
schwersten Gefahren. Im erstgenannten Fall entfällt die Schutzbedürftigkeit, da die betroffene Person insoweit keinen die Schutzbedürftigkeit der Vertraulichkeitsbeziehung begründenden Zweck verfolgt (Verstrickungsregelung). Die Entscheidung hierüber ist nach
§ 23 Absatz 5 Nummer 3 dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes zugewiesen.
§ 23 Absatz 7 sieht zudem vor, dass der Unabhängige Kontrollrat die Rechtmäßigkeit der
Anordnungen der Suchbegriffe vor deren Verwendung prüft. Damit wird der verfassungsrechtlichen Vorgabe, den Schutz von Vertraulichkeitsbeziehungen durch eine gerichtsähnliche ex ante-Kontrolle abzusichern, umfassend Rechnung getragen.
Zu Absatz 3
Soweit die Erhebung von besonders schutzwürdigen Vertraulichkeitsbeziehungen erst im
Rahmen der Auswertung bemerkt wird, bedarf es einer Prüfung, ob eine Erhebung dieser
Daten nach den Voraussetzungen des Absatzes 2 materiell zulässig gewesen wäre, das
heißt, ob die Weiterverarbeitung der erhobenen Daten notwendig ist zur Verhinderung der
in Absatz 2 genannten schweren Straftaten und Gefahren. Auch diese Entscheidung unterliegt der umfassenden Rechtskontrolle durch den Unabhängigen Kontrollrat (vgl. BVerfG,
a.a.O., Randnummer 195). Die Sätze 3 bis 5 regeln Einzelheiten zur Protokollierung der
Löschung.
§ 22 (Kernbereichsschutz)
§ 22 regelt den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung im Rahmen der strategischen Ausland-Fernmeldeaufklärung. Die Vorschrift sieht ebenso wie andere Regelungen
(vgl. etwa § 100a Absatz 4 StPO und § 5a G 10) zum Kernbereichsschutz im Bereich der
Telekommunikationsüberwachung ein zweistufiges Schutzkonzept vor, um den Betroffenen
vor Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung zu bewahren.
Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung gewährleistet dem Individuum einen Bereich höchstpersönlicher Privatheit und sichert einen dem Staat nicht verfügbaren
Menschenwürdekern grundrechtlichen Schutzes gegenüber Überwachung. Selbst überragende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in diesen absolut geschützten
Bereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen. Dies gilt auch gegenüber Nachrichtendiensten und auch für Aufklärungsmaßnahmen im Ausland. Zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört die Möglichkeit, innere Vorgänge,
Überlegungen und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen. Geschützt
ist insbesondere die nicht-öffentliche Kommunikation mit Personen des höchstpersönlichen
Vertrauens, die in der berechtigten Annahme geführt wird, nicht aufgeklärt zu werden. Solche Gespräche verlieren dabei nicht schon dadurch ihren Charakter als insgesamt höchstpersönlich, dass sich in ihnen Höchstpersönliches und Alltägliches vermischen. Demgegenüber gehören z.B. die Besprechung und Planung von Straftaten nicht zum Kernbereich
privater Lebensgestaltung, selbst wenn sie auch Höchstpersönliches zum Gegenstand haben. Dies bedeutet nicht, dass der Kernbereich unter einem allgemeinen Abwägungsvorbehalt in Bezug auf öffentliche Sicherheitsinteressen steht. Ein höchstpersönliches Gespräch fällt nicht dadurch aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung heraus, dass die
Kenntnis seiner Inhalte für die Aufklärung von Straftaten oder die Abwehr von Gefahren
hilfreiche Aufschlüsse geben kann. Geben Äußerungen hierbei ausschließlich innere Eindrücke und Gefühle wieder, ohne Hinweise auf konkrete Straftaten zu enthalten, gewinnen
sie nicht schon dadurch einen Gemeinschaftsbezug, dass sie Ursachen oder Beweggründe
eines strafbaren Verhaltens freizulegen vermögen. Auch können trotz Straftatenbezugs Situationen, in denen Einzelnen gerade ermöglicht werden soll, ein Fehlverhalten einzugestehen oder sich auf dessen Folgen einzurichten, wie Beichtgespräche oder vertrauliche
Gespräche mit einem Psychotherapeuten oder einem Strafverteidiger, der höchstpersönlichen Privatsphäre unterfallen (vgl. BVerfG, a.a.O., Randnummern 200 bis 202).