-2Das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Entscheidung vom 19. Mai 2020 das überragende öffentliche Interesse an einer wirksamen Auslandsaufklärung (BVerfG 1 BvR
2835/17, Randnummer 161). In diesem Zusammenhang wird unterstrichen, dass die Versorgung der Bundesregierung mit Informationen für ihre außen- und sicherheitspolitischen
Entscheidungen, ihr hilft, sich im machtpolitischen Kräftefeld der internationalen Beziehungen zu behaupten, und folgenreiche Fehlentscheidungen verhindert werden können
(BVerfG, a.a.O., Randnummer 162). Insoweit geht es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes mittelbar zugleich um die Bewahrung demokratischer Selbstbestimmung
und den Schutz der verfassungsrechtlichen Ordnung – und damit um Verfassungsgüter von
hohem Rang. In Frage stehe mithin ein gesamtstaatliches Interesse, das über das Interesse
an der Gewährleistung der inneren Sicherheit als solcher deutlich hinausgeht (BVerfG,
a.a.O., Randnummer 162).
Das Bundesverfassungsgericht betont zudem, dass im Zuge der Entwicklung der Informationstechnik und der internationalen Kommunikation, ebenso wie der engeren grenzüberschreitenden Verflechtung der Lebensbedingungen im Allgemeinen, Bedrohungen vom
Ausland aus erheblich zugenommen haben. Die Früherkennung von Gefahrenlagen, die
aus dem Ausland drohen, gewinnt dabei nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichtes auch für die Sicherheit eine besondere Bedeutung. Die Erweiterung und Internationalisierung der Kommunikationsmöglichkeiten und die damit gesteigerte Politisierung und
Organisationsfähigkeit international agierender krimineller Gruppierungen führe dazu, dass
innerstaatliche Gefahrenlagen oftmals durch Netzwerke international zusammenarbeitender Akteure begründet sind und leicht eine außen- und sicherheitspolitische Dimension erhalten können. Derartige Aktivitäten zielen zum Teil auf eine Destabilisierung des Gemeinwesens ab und können zur Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung, den Bestand
und die Sicherheit des Bundes oder der Länder sowie für Leib, Leben und Freiheit werden.
Dies sind Rechtsgüter von überragendem verfassungsrechtlichen Gewicht, für deren
Schutz der Gesetzgeber eine wirksame und zugleich rechtsstaatlich eingehegte Auslandsaufklärung als unverzichtbar ansehen kann (BVerfG, a.a.O., Randnummer 163).
Das Bundesverfassungsgericht betont darüber hinaus, dass dem ungleich weiteren Datenzugriff der strategischen Überwachung heute im Verhältnis zu der Situation der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1999 ein gesteigertes Gefahrenpotential gegenüberstehe. Vor allem aber hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass ein wichtiger Gesichtspunkt für die Rechtfertigungsfähigkeit der strategischen Telekommunikationsüberwachung darin liege, dass die Folgen dadurch etwas abgemildert werden, dass sie
durch eine Behörde vorgenommen wird, die selbst grundsätzlich keine operativen Befugnisse habe (BVerfG, a.a.O., Randnummer 164 f.). Da die Daten gerade von einer Behörde
erhoben werden, die keine eigenen operativen Befugnisse hat, ist eine weitere Datenverwendung zunächst von einer in Distanz zu eigenen Handlungsverantwortlichkeiten vorgenommenen Sichtung der Daten abhängig. Erst ihre Übermittlung zur operativen Nutzung
muss daher durch qualifizierte Übermittlungsschwellen sichergestellt werden (BVerfG,
a.a.O., Randnummer 165).
Gleichzeitig stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass die Befugnisse zur strategischen Überwachung, zur Übermittlung der mit ihr gewonnenen Erkenntnisse und zur diesbezüglichen Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten nur dann mit den Anforderungen
der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind, wenn sie durch eine unabhängige objektivrechtliche
Kontrolle flankiert werden. Diese Kontrolle ist als kontinuierliche Rechtskontrolle auszugestalten, die einen umfassenden Kontrollzugriff ermöglicht. Hierfür fordert das Bundesverfassungsgericht eine mit abschließenden Entscheidungsbefugnissen verbundene gerichtsähnliche Kontrolle, der die wesentlichen Verfahrensschritte der strategischen Fernmeldeaufklärung unterliegen, sowie eine administrative Kontrolle, die eigeninitiativ strukturiert und
stichprobenmäßig den gesamten Prozess der strategischen Fernmeldeaufklärung auf seine
Rechtmäßigkeit prüfen kann (BVerfG, a.a.O., Randnummer 272ff.). Zu gewährleisten ist
eine Kontrolle in institutioneller Eigenständigkeit. Hierzu gehören ein eigenes Budget, eine
eigene Personalhoheit sowie Verfahrensautonomie. Die Kontrollorgane sind personell wie

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