gesetzänderung vor, die dem Maßstab des Art. 1 Abs. 1 GG allein nicht stand hält,
verbieten es deshalb die Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes und der rechtsstaatliche Grundsatz der Normenklarheit, die Verfassungsnorm durch Auslegung soweit einzuengen, dass sie die Hürde des Art. 79 Abs. 3 GG nehmen kann, dann aber
kompensatorisch die einfachgesetzlichen Regelungen, die sich auf die in der geänderten Verfassungsnorm zum Ausdruck kommende Eingriffsermächtigung stützen,
wegen Verfassungswidrigkeit zu beanstanden. So kann verfassungswidriges Verfassungsrecht nicht geheilt werden. Dies entspricht nicht Art. 79 Abs. 3 GG, der verhindern soll, dass durch Änderung des Grundgesetzes eine Grundlage in der Verfassung für Eingriffe in den Menschenwürdegehalt von Grundrechten geschaffen wird.
2. Die von der Senatsmehrheit angenommene Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit einer verfassungsändernden Norm durch deren verfassungskonforme Auslegung herzustellen, schränkt außerdem den Geltungsbereich von Art. 79 Abs. 3 GG in
unzulässiger Weise ein. Sie führt dazu, dass die von Art. 79 Abs. 3 GG für eine Verfassungsänderung gesetzten Schranken letztlich nur noch dort zu greifen vermögen,
wo der verfassungsändernde Gesetzgeber sich anschickt, die föderale Ordnung,
Art. 1 oder Art. 20 GG selbst in Gänze abzuschaffen. Denn ansonsten können - so
lange es Art. 1 und Art. 20 GG in der Verfassung als Interpretationsmaßstab gibt - jeder Verfassungsänderung qua Auslegung im Lichte von Art. 1 oder Art. 20 GG ungeschriebene, immanente Schranken hinzugefügt werden, die ihr dann zur Verfassungsmäßigkeit verhelfen, sodass sie vor Art. 79 Abs. 3 GG stand halten. Der
Grundgesetzgeber hat aber in Art. 79 Abs. 3 GG nicht lediglich eine Änderung beziehungsweise Abschaffung von Art. 1 und Art. 20 GG als unzulässig ausgeschlossen,
sondern bereits eine, die die in diesen Artikeln niedergelegten Grundsätze berührt.
Art. 79 Abs. 3 GG reicht also weiter. Er ist dazu bestimmt, schon den Anfängen eines
Abbaues von verfassten Grundrechtspositionen zu wehren, die auf rechtsstaatlichen
Grundsätzen beruhen oder der Sicherung der Menschenwürde dienen, und nicht erst
dort zu greifen, wo der Rechtsstaat gänzlich aufgehoben werden und die Menschenwürde keinerlei Schutz mehr erfahren soll (vgl. BVerfGE 30, 1; Abweichende Meinung, S. 33 <47>). Damit aber Art. 79 Abs. 3 GG einer allmählichen Demontage der
tragenden Grundpfeiler unserer Verfassung entgegenwirken kann, müssen Verfassungsänderungen beim Wort genommen und ihre eigenen Ermächtigungen des Gesetzgebers an den in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen gemessen
werden. Werden sie berührt, bietet Art. 79 Abs. 3 GG keinen Raum mehr für eine verfassungskonforme Auslegung, die der unzulässigen Änderung im Nachhinein zur
Verfassungsmäßigkeit verhilft.
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Im Jahre 1971 haben die Verfassungsrichter Geller, v. Schlabrendorff und Rupp es
noch als eine fernliegende, aber dennoch nicht ganz auszuschließende Gefahr angesehen, dass Art. 13 GG einmal dahin erweitert werden solle, dass "unter bestimmten
Voraussetzungen Haussuchungen ohne Zuziehung des Wohnungsinhabers und dritter Personen vorgenommen und dabei auch Geheimmikrofone unter Ausschluss des
Rechtsweges angebracht werden dürften" (vgl. BVerfGE 30, 1; Abweichende Mei-
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