BVerfGE 57, 250 <283 f.> zur Zurückhaltung von Beweismitteln).
Die Verfassungsmäßigkeit einer Vorenthaltung der Unterlagen hängt mithin entscheidend vom Gewicht der in § 101 Abs. 1 Satz 1 StPO enthaltenen Zurückstellungsgründe ab. Hinsichtlich einer Gefährdung des Ermittlungszwecks und von Leib
und Leben einer Person bestehen auch insoweit keine durchgreifenden Bedenken.
Die Gefährdung des Ermittlungszwecks bezieht sich ausschließlich auf das den Beschuldigten selbst betreffende Ermittlungsverfahren. Dieser Gefährdungstatbestand
kommt daher für eine Rechtfertigung getrennter Aktenverwahrung spätestens nach
Anklageerhebung nicht mehr in Betracht. Die Gefährdung von Leib und Leben einer
Person kann dagegen dazu führen, dass auch noch während der Hauptverhandlung
Unterlagen über die akustische Wohnraumüberwachung zurückgehalten werden dürfen (vgl. auch BVerfGE 57, 250 <284>). Allerdings haben die Strafverfolgungsbehörden alles Zumutbare und der Bedeutung der Sache Angemessene zu tun, um die der
Herausgabe der Unterlagen entgegenstehenden Gründe auszuräumen, damit die erforderliche Sachaufklärung sich auch auf die heimlich gewonnenen Informationen beziehen kann und die damit verbundenen Rechte der Verfahrensbeteiligten nicht mehr
als unvermeidlich beeinträchtigt werden (vgl. BVerfGE 57, 250 <285>).

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Demgegenüber vermögen die anderen Zurückstellungsgründe - eine Gefährdung
der öffentlichen Sicherheit und des weiteren Einsatzes eines nicht offen ermittelnden
Beamten - eine Vorenthaltung der Unterlagen über die akustische Wohnraumüberwachung nicht zu rechtfertigen, soweit sie, wie ausgeführt, einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten (vgl. oben C IV 1 c bb).

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b) Für die in § 101 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz StPO vorgesehene Ablösung der Zuständigkeit der Staatsschutzkammer durch das Prozessgericht für Entscheidungen
über die Zurückstellung der Benachrichtigung nach Erhebung der öffentlichen Klage
mögen Gründe der Prozessökonomie sprechen; diese sind jedoch nicht gewichtig
genug, um eine Beeinträchtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu rechtfertigen.

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Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet, dass das Strafgericht seiner Entscheidung nur
solche Tatsachen und Beweisergebnisse zu Grunde legt, zu denen sich der Beschuldigte äußern konnte. Das Verfahrensgrundrecht will verhindern, dass das Gericht ihm
bekannte, dem Beschuldigten aber verschlossene Sachverhalte zu dessen Nachteil
verwertet (vgl. BVerfGE 63, 45 <59>). Dieser Grundsatz lässt sich nicht im Zuge einer allein formalen Betrachtungsweise dahingehend reduzieren, dass bestimmte Informationen, die das Gericht erlangt hat, dem Beschuldigten aber vorenthalten bleiben, weder in der mündlichen Verhandlung zur Sprache kommen noch zur
Begründung der Entscheidung ausdrücklich herangezogen werden dürfen.

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Auch wenn das Gericht mit Blick auf die Verfahrensgrundsätze der Unmittelbarkeit
der Beweisaufnahme und der Mündlichkeit der Verhandlung an einer formalen Verwertung solcher Informationen gehindert ist, kann aus der Sicht des Beschuldigten
die begründete Besorgnis bestehen, dass sich das Gericht dem Erkenntniswert des

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