Soweit die Erfassung von besonders schutzwürdigen Vertraulichkeitsbeziehungen
erst im Rahmen der Auswertung bemerkt wird, bedarf es auch insoweit einer Prüfung
der Voraussetzungen und gegebenenfalls dann einer Abwägung, ob die entsprechende Kommunikation ausgewertet und genutzt werden darf (zutreffend Löffelmann, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg [Hrsg.], Reform der Nachrichtendienste zwischen Vergesetzlichung und Internationalisierung, 2019, S. 33 <43 mit Fn.
41>; entgegen Gärditz, DVBl 2017, S. 525 <528>). Auch hier kommt es darauf an,
ob zu erwarten ist, dass hierdurch Erkenntnisse über schwerwiegende und sich konkret abzeichnende Gefahren gewonnen werden und dem öffentlichen Interesse hieran gegenüber dem Schutz der Vertraulichkeit nach Maßgabe einer Abwägung im
Einzelfall der Vorrang zukommt. Auch diese Entscheidung bedarf einer gerichtsähnlichen Kontrolle.
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bb) Der Gesetzgeber kann für den Schutz von Berufsgruppen und deren Tätigkeit
im Rahmen der Auslandsaufklärung den verschiedenen Umständen, unter denen die
Presse oder Anwaltschaft in anderen Ländern tätig ist, Rechnung tragen. Er kann
danach den Schutz auf Personen und Situationen beschränken, die tatsächlich
schutzwürdig sind, deren Tätigkeit also durch die Freiheit und Unab- hängigkeit gekennzeichnet ist, die den besonderen grundrechtlichen Schutz dieser Institutionen
rechtfertigen (vgl. Dietrich, in: Schenke/Graulich/Ruthig [Hrsg.], Sicherheitsrecht des
Bundes, 2. Aufl. 2019, § 6 BNDG Rn. 10 a.E.). Maßgeblich sind insoweit die sich aus
den Grundrechten des Grundgesetzes ergebenden Wertentscheidungen, die ihrerseits in die internationalen Verbürgungen der Menschenrechte eingebettet sind (vgl.
Art. 1 Abs. 2 GG). Unsicherheiten ist auf der Grundlage informierter Einschätzungen
zu begegnen.
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cc) Zu prüfen, ob und wieweit anderen Vertraulichkeitsbeziehungen durch Schutzmaßnahmen zu entsprechen ist, ist zunächst Sache des Gesetzgebers.
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dd) Sofern Überwachungsmaßnahmen unabhängig von einem sie rechtfertigenden
Zweck der Gefahrenfrüherkennung ausschließlich dazu bestimmt und darauf ausgerichtet sind, der politischen Information der Bundesregierung zu dienen und eine
Übermittlung der Erkenntnisse an andere Stellen prinzipiell ausgeschlossen ist (oben
Rn. 177), kann auf den Schutz von Vertraulichkeitsbeziehungen verzichtet werden,
soweit dies erforderlich ist.
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i) Weitere Anforderungen ergeben sich aus Art. 10 Abs. 1 GG in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 GG zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.
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aa) Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung gewährleistet dem Individuum einen Bereich höchstpersönlicher Privatheit und sichert einen dem Staat
nicht verfügbaren Menschenwürdekern grundrechtlichen Schutzes gegenüber Überwachung. Selbst überragende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in
diesen absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen
(vgl. BVerfGE 109, 279 <313>; 141, 220 <276 Rn. 120>; stRspr). Dies gilt auch gegenüber Nachrichtendiensten (vgl. BVerfGE 120, 274 <335 ff.>) und auch für Über-
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