Dem ungleich weiteren Datenzugriff der strategischen Überwachung steht heute im
Verhältnis zu der Situation, über die das Bundesverfassungsgericht 1999 zu entscheiden hatte, folglich auch ein gesteigertes Gefahrenpotential gegenüber. Aus diesem Grund stehen Art. 10 Abs. 1 GG und die sich aus ihm ergebenden Verhältnismäßigkeitsanforderungen auch der Einbeziehung gezielt personenbezogener
Suchbegriffe in die strategische Überwachung nicht prinzipiell entgegen und darf das
Gesetz vom Grundsatz her in begrenztem Umfang auch eine bevorratend gesamthafte Speicherung von Verkehrsdaten sowie deren anlasslose Auswertung vorsehen.

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(d) Ein wichtiger Gesichtspunkt für die Rechtfertigungsfähigkeit der strategischen
Telekommunikationsüberwachung liegt schließlich darin, dass die Folgen der anlasslosen Durchführung dadurch etwas abgemildert werden, dass sie durch eine Behörde vorgenommen werden, die selbst grundsätzlich keine operativen Befugnisse hat.
Gegenüber Personen im Ausland können Erkenntnisse schon den tatsächlichen Umständen nach in der Regel nicht unmittelbar zu Folgemaßnahmen gegenüber den
Betroffenen führen, da insoweit keine Hoheitsbefugnisse deutscher Behörden bestehen. Das stellt allerdings nicht in Frage, dass auch im Ausland durchgeführte
Überwachungen zu gravierenden Konsequenzen für die Betroffenen führen können
und Folgemaßnahmen gegenüber ihnen – sei es mittels eines Austauschs der Daten, sei es bei späteren Grenzübertritten – auch ermöglichen sollen. Da die Daten
jedoch von einer Behörde erhoben werden, die selbst grundsätzlich keine eigenen
operativen Befugnisse hat, ist hier eine weitere Datenverwendung zunächst von einer in Distanz zu eigenen Handlungsverantwortlichkeiten vor- genommenen Sichtung der Daten abhängig. Ihre Übermittlung zur operativen Nutzung kann – und muss
– daher durch qualifizierte Übermittlungsschwellen sichergestellt werden (unten Rn.
220 ff.).

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c) Das Instrument der strategischen Überwachung einschließlich des Einsatzes personenbezogener formaler Suchbegriffe und einer zum Teil auch gesamthaft bevorratenden Erfassung und Auswertung von Verkehrsdaten ist danach mit Art. 10 Abs. 1
GG und den hieraus folgenden Verhältnismäßigkeitsanforderungen nicht grundsätzlich unvereinbar. Als anlasslose, im Wesentlichen allein final angeleitete und begrenzte Befugnis ist sie jedoch eine Ausnahmebefugnis, die auf die Auslandsaufklärung durch eine Behörde, welche selbst grundsätzlich keine operativen Befugnisse
zur Gefahrenabwehr hat, begrenzt bleiben muss. Nur durch deren besonderes Aufgabenprofil ist sie gerechtfertigt. Hieran hat sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch die nähere Ausgestaltung auszurichten.

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2. Die Ausgestaltung der Datenerhebung und -verarbeitung in Form der strategischen Überwachung unterliegt danach näheren Anforderungen, die dem besonderen
Gewicht der Grundrechtseingriffe und ihrer spezifischen Rechtfertigung durch das
besondere Aufgabenprofil der Auslandsaufklärung Rechnung zu tragen haben.

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a) Ein übergreifendes Ziel der sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen liegt darin, die strategische Telekommunikations- überwa-

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