(c) Zu berücksichtigen ist dabei auch das überragende öffentliche Interesse an einer wirksamen Auslandsaufklärung.
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Entsprechend der kompetenziellen Rückbindung (oben Rn. 123 ff.) zielt die Auslandsaufklärung immer auf Informationen, die Bedeutung für die Stellung und Handlungsfähigkeit Deutschlands in der Staatengemeinschaft entfalten und damit gerade
in diesem Sinne von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind. Die Versorgung der Bundesregierung mit Informationen für ihre außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungen hilft ihr, sich im machtpolitischen Kräftefeld der internationalen Beziehungen zu behaupten, und kann folgenreiche Fehlentscheidungen
verhindern. Insoweit geht es mittelbar zugleich um die Bewahrung demokratischer
Selbstbestimmung und den Schutz der verfassungsrechtlichen Ordnung – und damit
um Verfassungsgüter von hohem Rang. In Frage steht mithin ein gesamtstaatliches
Interesse, das über das Interesse an der Gewährleistung der inneren Sicherheit als
solcher deutlich hinausgeht.
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Von Gewicht ist hierbei, dass im Zuge der Entwicklung der Informationstechnik und
der internationalen Kommunikation, ebenso wie damit der engeren grenzüberschreitenden Verflechtung der Lebensbedingungen im Allgemeinen, Bedrohungen vom
Ausland aus erheblich zugenommen haben. Die Früherkennung von Gefahrenlagen,
die aus dem Ausland drohen, gewinnt hierbei auch für die Sicherheit besondere Bedeutung. Die Erweiterung und Internationalisierung der Kommunikationsmöglichkeiten und die damit gesteigerte Politisierung und Organisationsfähigkeit international
agierender krimineller Gruppierungen führen dazu, dass innerstaatliche Gefahrenlagen oftmals durch Netzwerke international zusammenarbeitender Akteure begründet
sind und leicht eine außen- und sicherheitspolitische Dimension erhalten können. Die
Herausforderungen durch weltweit verflochtene Kreise organisierter Kriminalität und
Geldwäsche wie auch Menschenhandel, elek-tronische Angriffe auf informationstechnische Systeme, den internationalen Terrorismus oder den Handel mit Kriegswaffen machen das beispielhaft deutlich (vgl. Kojm, in: Goldman/Rascoff [Hrsg.], Global Intelligence Oversight, 2016, S. 95 ff.; Goodman/Ischebeck-Baum, in: Dietrich/
Sule [Hrsg.], Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 1 <insb. Rn. 104 ff.>;
hinsichtlich des Gefahrenbereichs „Cyber“ siehe auch BTDrucks 18/4654, S. 40 f.; zu
den Gefahrenbereichen „internationaler Terrorismus“ und „Kriegswaffenproliferation“
siehe bereits BTDrucks 12/6853, S. 20, 42). Solche Aktivitäten zielen zum Teil auf
eine Destabilisierung des Gemeinwesens (vgl. zum internationalen Terrorismus
BVerfGE 115, 320 <357>; 133, 277 <333 f. Rn. 133>; 143, 101 <138 f. Rn. 125>)
und können zur Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung, den Bestand und
die Sicherheit des Bundes oder der Länder sowie für Leib, Leben und Freiheit werden. Dies sind Rechtsgüter von überragendem verfassungsrechtlichen Gewicht, für
deren Schutz der Gesetzgeber eine wirksame und zugleich rechtsstaatlich eingehegte Auslandsaufklärung als unverzichtbar ansehen kann (vgl. BVerfGE 115, 320
<358>; 143, 101 <138 f. Rn. 124 ff.>).
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