lieben. Zugleich reichen heutzutage die Analysemöglichkeiten wesentlich weiter.
Fehlte es dem Bundesnachrichtendienst 1999 etwa noch an den technischen Möglichkeiten einer automatisierten Spracherkennung, so stehen heute Programme zur
Spracherkennung, zur Übersetzung oder zur Bilderkennung schon der allgemeinen
Öffentlichkeit zur Verfügung. Insgesamt erstreckt sich die strategische Telekommunikationsüberwachung damit inzwischen potentiell auf annähernd die gesamte
Kommunikation auch der Zivilgesellschaft (vgl. zur Aussagekraft von Verkehrsdaten
BVerfGE 125, 260 <319>; zu den erweiterten Erkenntnismöglichkeiten der Nachrichtendienste Omand, in: Dietrich/Sule [Hrsg.], Intelligence Law and Policies in Europe,
2019, S. 38 <Rn. 37 ff.>).
(5) Besonderes Eingriffsgewicht kommt der strategischen Telekommunikationsüberwachung insoweit zu, als sie auch gezielt personenbezogene Überwachungen
ermöglicht. Gegenüber den Befugnissen, die Gegenstand der Entscheidung des Senats von 1999 waren, eröffnet dies eine eigene Dimension. Während dort die strategische Überwachung allein insoweit in den Blick kam, als sie ohne spezifischen Personenbezug mit inhaltlichen Suchbegriffen arbeitete (vgl. BVerfGE 100, 313 <384>),
operiert die strategische Fernmeldeaufklärung, wie sie hier in Frage steht, ganz überwiegend mit formalen Suchbegriffen wie Telekommunikationskennungen, die es
auch erlauben, die Überwachung gezielt auf die Telekommunikation einzelner Personen zu richten. Die strategische Fernmeldeaufklärung erhält dadurch eine grundlegend weiterreichende Eingriffstiefe und rückt näher an die individuelle Telekommunikationsüberwachung heran.
152
(6) Im Verhältnis zur früheren Rechtslage kommt belastend hinzu, dass die strategische Überwachung nunmehr in gewissem Umfang auch eine gesamthaft bevorratende Speicherung von Verkehrsdaten eröffnet. Durch deren – wiederum anlasslos
und allein final angeleitete – Auswertung können tiefgehende Einblicke in das Kommunikations- und Bewegungsverhalten von Personen gewonnen werden, die über
die inhaltliche Auswertung individueller Kommunikationsverkehre unter Umständen
weit hinausgehen (vgl. zur Aussagekraft solcher Daten BVerfGE 125, 260 <319>;
EuGH, Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland und Seitlinger u.a., C-293/12,
C-594/12, EU:C:2014:238, Rn. 48, 56). Auch dies erhöht das Eingriffsgewicht nochmals erheblich.
153
bb) Trotz des damit besonders schweren Eingriffsgewichts der strategischen Überwachung kann diese als spezifische Befugnis der Auslandsaufklärung verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
154
(1) Allerdings liegt in dem Verzicht auf jede konkretisierende Eingriffsschwelle eine
Freistellung von einem Kernelement rechtsstaatlicher Anforderungen, das grundsätzlich und insbesondere in Bezug auf innerstaatlich tätige Sicherheitsbehörden schon
für weniger eingriffsintensive, erst recht aber für schwerwiegende Grundrechtseingriffe wie die Überwachung der Telekommunikation unverzichtbar ist (vgl. BVerfGE 141,
220 <269 ff. Rn. 104 ff.>; 150, 244 <280 ff. Rn. 90 ff.>). Das Erfordernis einer an
155
75/122