Personen dadurch, dass die Überwachung nicht stets in gleicher Weise auf unmittelbar operative Konsequenzen gerichtet ist wie in der Regel Überwachungsmaßnahmen gegenüber Deutschen oder im Inland befindlichen Personen. Die Auslandsaufklärung betrifft Vorgänge in anderen Ländern, in denen der deutsche Staat nicht über
Hoheitsbefugnisse verfügt, und ist dabei dem Bundesnachrichtendienst als einer Behörde vorbehalten, die grundsätzlich keine eigenen operativen Befugnisse hat. Die
Aufgabe der Auslandsaufklärung liegt primär darin, zunächst eine Informationsbasis
zu schaffen, Informationen zu bewerten, auf ihre Relevanz zu prüfen und sie dann
aufbereitet der Bundesregierung sowie gegebenenfalls weiteren Adressaten zur Verfügung zu stellen. Allerdings verbindet sich auch hier die Überwachung oftmals mit
dem Ziel, gegenüber Betroffenen – unter Umständen auch im Austausch der Erkenntnisse mit anderen Staaten – Maßnahmen zu treffen, und bleibt damit gewichtig. Solche Maßnahmen kann der Bundesnachrichtendienst gegenüber Personen im
Ausland jedoch nicht selbst ergreifen. Maßnahmen, die andere Stellen aufgrund dieser Informationen gegen Betroffene ergreifen, sind von Datenübermittlungen abhängig, die rechtlich durch den Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung begrenzt werden können und müssen (dazu unten Rn. 216 f. und 220 ff.).
(4) Besonders erschwerend ins Gewicht fällt demgegenüber die außerordent- liche
Streubreite der strategischen Telekommunikationsüberwachung. Sie wird anlasslos
gegenüber jeder Person erlaubt und ist allein durch bestimmte Zweck- setzungen final angeleitet. Objektive Eingriffsschwellen werden weder in Bezug auf begrenzende
Situationen noch auf die von der Überwachung betroffenen Personen vorausgesetzt.
Die so ermächtigte Behörde kann im Rahmen nur abstrakt vorgegebener Zwecke frei
entscheiden, auf welche Netze, Daten und Personen sie die Maßnahmen richtet.

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Eine solche Befugnis hat insbesondere unter den heutigen Bedingungen der Informationstechnik und ihrer Bedeutung für die Kommunikationsbeziehungen eine außerordentliche Reichweite. Sie ist in ihrer Eingriffsintensität nicht mehr zu vergleichen
mit den Befugnissen, über die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung
zur strategischen Überwachung der Inland-Ausland-Kommunikation im Jahr 1999 zu
entscheiden hatte. Während damals die Telekommunikationsüberwachung in tatsächlicher Hinsicht eng begrenzte, allein in spezifischen Situationen benutzte Telekommunikationsmittel betraf (vgl. BVerfGE 100, 313 <379 f.>), werden heute schon
quantitativ unvergleichbar größere Datenströme erfasst. Mit ihnen wird eine unübersehbare Zahl von Formen elektronischer Kommunikation transportiert und der Auswertung zugeführt. Angesichts der ubiquitären und vielfältigen Nutzung von Kommunikationsdiensten findet inzwischen zunehmend jede Art individuellen Handelns und
zwischenmenschlicher Interaktion in elektronischen Signalen ihren Niederschlag und
wird so der Telekommunikationsüberwachung zugänglich. Die Überwachung erfasst
damit tief in den Alltag hineinreichende, auch höchst private und spontane Kommunikationsvorgänge einschließlich des Austausches von Bildern und Dokumenten.
Technisch möglich ist heute selbst die Überwachung des Nutzerverhaltens im World
Wide Web und der hierbei zum Ausdruck kommenden Interessen, Wünsche und Vor-

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