ob Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG dem Bund die Befugnis zur Regelung der internationalen
Verbrechensbekämpfung allgemein – und damit die Länder generell ausschließend –
einräumt, oder ob er dem Bund diese Regelungskompetenz nur in Bezug auf die
Ausgestaltung der Befugnisse des Bundeskriminalpolizeiamts verleiht (vgl. Bäcker,
DÖV 2011, S. 840 <847>; Zöller, in: Roggan/Kutscha, Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit, 2. Aufl. 2006, S. 447 <459>; vgl. auch Uhle, in: Maunz/Dürig, GG,
Art. 73 Rn. 255 [Oktober 2019]; zur Entstehungsgeschichte Schneider, Das Grundgesetz, Dokumentation seiner Entstehung, Bd. 17, 2007, S. 905 ff.).
II.
Die angegriffenen Vorschriften sind jedoch in formeller Hinsicht verfassungswidrig,
weil sie gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen (vgl. Huber,
ZRP 2016, S. 162 <163>; Hölscheidt, Jura 2017, S. 148 <155>; Marxsen, DÖV 2018,
S. 218 <225>; Dietrich, in: Schenke/Graulich/Ruthig [Hrsg.], Sicherheitsrecht des
Bundes, 2. Aufl. 2019, § 6 BNDG Rn. 11). Das Bundesnachrichtendienstgesetz nennt
Art. 10 Abs. 1 GG in Bezug auf Eingriffe nach § 3 BNDG (vgl. dort Abs. 3), nicht aber
für die Eingriffe nach den hier in Streit stehenden Vorschriften. Der Verzicht auf die
Beachtung des Zitiergebots lässt sich nicht damit begründen, dass die angegriffenen
Vorschriften eine lange bestehende Verwaltungspraxis aufgreifen und nunmehr erstmals gesetzlich regeln. Hierfür lässt sich insbesondere nicht darauf verweisen, dass
das Zitiergebot dann nicht greift, wenn das Gesetz geltende Grundrechtsbeschränkungen durch das bisherige Recht unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholt (vgl. dazu BVerfGE 35, 185 <188 f.>). Denn eine gesetzlose Verwaltungspraxis ist weder geltendes Recht noch geltende Grundrechtsbeschränkung und beruht –
anders als Parlamentsgesetze, die das Zitiergebot beachten – nicht auf bereits getroffenen Wertungen des parlamentarischen Gesetzgebers. Auch die Warnfunktion
des Zitiergebots wird durch eine bloße Verwaltungspraxis nicht ersetzt. Dies gilt zumal für die geheime Praxis eines Nachrichtendienstes.

134

Das Zitiergebot ist vielmehr gerade dann verletzt, wenn der Gesetzgeber ausgehend von einer bestimmten Auslegung des Schutzbereichs – wie hier der Annahme
fehlender Grundrechtsbindung deutscher Staatsgewalt bei im Ausland auf Ausländer
wirkendem Handeln – die Grundrechte als nicht betroffen erachtet. Denn es fehlt
dann am Bewusstsein des Gesetzgebers, zu Grundrechtseingriffen zu ermächtigen,
und an dessen Willen, sich über deren Auswirkungen Rechenschaft abzulegen, was
gerade Sinn des Zitiergebots ist (vgl. BVerfGE 85, 386 <404>; 113, 348 <366>; 129,
208 <236 f.>). Zudem entzieht sich der Gesetzgeber einer öffentlichen Debatte, in
der Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechts- eingriffen zu klären sind (vgl.
BVerfGE 85, 386 <403 f.>; 129, 208 <236 f.>).

135

E.
Die angegriffenen Vorschriften sind auch materiell mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Zwar steht das Grundgesetz dem Instrument der strategischen Über- wa-

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