stehende Aufklärungspraxis des Bundesnachrichtendienstes angeknüpft hat, führt
nicht zu einer Vorverlagerung des Fristbeginns. Denn Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind nicht konkrete Vollzugsakte des Bundesnachrichtendienstes, für
die die Fristenregelung des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gilt; sie richtet sich vielmehr
gegen die gesetzliche Ermächtigung zur Durchführung der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung als solche, für die die Beschwerdefrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG
nicht vor Inkrafttreten des Gesetzes beginnt.
2. Auch im Hinblick auf § 19 Abs. 1 BNDG und § 24 Abs. 1 bis 3 BNDG, die die
Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes zur Speicherung, Veränderung und Nutzung beziehungsweise zur Übermittlung personenbezogener Daten regeln, ist die
Beschwerdefrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG gewahrt. Durch das Inkrafttreten der §§ 6
ff. und der §§ 13 ff. BNDG wurde der Anwendungsbereich dieser allgemeinen Übermittlungs- und Verarbeitungsbefugnisse auf die neu geregelten Maßnahmen erstreckt und so teilweise erweitert. Darin liegt eine neue grundrechtliche Beschwer, für
welche die Beschwerdefrist neu in Gang gesetzt wird (vgl. BVerfGE 45, 104 <119>;
100, 313 <356>; 141, 220 <262 f. Rn. 85>; stRspr).
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VI.
Da es sich bei der Auslandsfernmeldeaufklärung jedenfalls nicht um die Umsetzung
zwingenden Unionsrechts handelt, richtet sich die verfassungsrechtliche Beurteilung
der Gültigkeit der angegriffenen Vorschriften nach den Grundrechten des Grundgesetzes. Damit ist die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts eröffnet und die
Verfassungsbeschwerde insoweit zulässig. Das gilt unabhängig davon, ob daneben
Unionsgrundrechte Geltung beanspruchen können (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 -, Rn. 39 – Recht auf Vergessen I).
84
Unberührt bleibt hiervon die Frage, ob sich weitere rechtliche Anforderungen unmittelbar aus dem Sekundärrecht der Europäischen Union ergeben, insbesondere aus
Art. 15 Abs. 1 RL 2002/58/EG hinsichtlich der Reichweite der den Telekommunikationsanbietern auferlegten Pflichten. Die Auslegung und Anwendung des Fachrechts
der Europäischen Union ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, sondern
obliegt den Fachgerichten im Verbund mit dem Europäischen Gerichtshof (vgl.
BVerfGE 148, 40 <48 f. Rn. 22>).
85
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Vorschriften sind an
den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen und greifen in Art. 10 Abs. 1 und
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein (I bis III). Die Eingriffe sind nicht gerechtfertigt, weil die
angegriffenen Vorschriften formell verfassungswidrig sind (unten D). Sie genügen
auch nicht zentralen materiellen Anforderungen des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 5
Abs. 1 Satz 2 GG (unten E).
55/122
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