1. Mit Art. 10 Abs. 1 GG und den sich hieraus ergebenden Verhältnismäßigkeitsanforderungen unvereinbar sind zunächst die Vorschriften zur Datenerhebung und -verarbeitung in §§ 6, 7 BNDG.
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a) Dies gilt zum einen für die Regelung der strategischen Überwachung vom Inland
aus nach § 6 BNDG.
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aa) § 6 BNDG regelt schon die mit der Auslandsaufklärung aus technischen Gründen derzeit unvermeidbar verbundenen Grundrechtseingriffe gegenüber Deutschen
und Inländern nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise. Insbesondere regelt er nicht hinreichend die diesbezüglich gebotene Filterung und die an diese Filterung zu stellenden Anforderungen (oben Rn. 170 ff.). Allein das materielle Verbot in
§ 6 Abs. 4 BNDG, das den Anschein hervorruft, als müsste und könnte die Erhebung
von Daten deutscher Staatsangehöriger und von Inländern insgesamt vermieden
werden, genügt dem nicht. Auch die gebotene unverzügliche Löschung der unbeabsichtigt miterfassten Inlandskommunikation ist nicht normenklar geregelt. Zwar sieht
§ 10 Abs. 4 Satz 1 BNDG eine solche Löschung grundsätzlich vor. Ob und wieweit
nach Satz 2 bis 6 der Vorschrift aber von einer solchen Löschung abgesehen werden
kann, ist der Norm nicht zu entnehmen (vgl. Hölscheidt, Jura 2017, S. 148 <156>).
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bb) Weiter ist die Überwachung nach § 6 BNDG nicht auf differenziert gefasste, gewichtige Zwecke begrenzt (oben Rn. 175 f.). Die in § 6 Abs. 1 Satz 1 BNDG genannten weit und offen formulierten Zwecke, die auch nach der Begründung des Gesetzesentwurfs das Aufgabenspektrum in keiner Weise einengen sollen (vgl. BTDrucks
18/9041, S. 22), verfehlen diese Anforderung deutlich. Insbesondere kann eine solche gesetzliche Begrenzung nicht durch das allein politisch definierte Auftragsprofil
der Bundesregierung ersetzt werden (vgl. insoweit auch schon United Nations Office
of the High Commissioner for Human Rights, Brief der Sonder- berichterstatter vom
29. August 2016, OL DEU 2/2016, S. 5).
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Entsprechend ist die Überwachung nicht auf der Grundlage formalisierter Festlegungen differenzierend begrenzter Überwachungsmaßnahmen strukturiert, an denen
sich die Auswahl der zu erfassenden Übertragungswege sowie der Suchbegriffe
ebenso wie die weitere Verarbeitung und Nutzung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nachprüfbar auszurichten haben (oben Rn. 178 ff.;
vgl. allgemein auch schon Marxsen, DÖV 2018, S. 218 <224>). Auch fehlt es an gesetzlichen Maßgaben zum Einsatz gezielt personenbezogener Suchbegriffe (oben
Rn. 185 ff.) und zum Schutz von Vertraulichkeitsbeziehungen (oben Rn. 193 ff. sowie
Löffelmann, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg [Hrsg.], Reform der Nachrichtendienste zwischen Vergesetzlichung und Internationalisierung, 2019, S. 33 <43>).
Der Kernbereichsschutz in § 11 BNDG ist unzureichend geregelt (oben Rn. 203 ff.).
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Ebenso enthält das Gesetz keine hinreichenden Regelungen zur Auswertung der
durch das Mittel der strategischen Auslandsaufklärung gewonnenen Daten (oben
Rn. 192). § 19 BNDG genügt als lediglich allgemein gehaltene Regelung für die Datenverarbeitung des Bundesnachrichtendienstes diesen Anforderungen nicht und ist
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