dass Geheimhaltung im parlamentarisch-politischen Umfeld faktischen Grenzen unterliegt. Allerdings ist das Parlamentarische Kontrollgremium nach Art. 45d GG in einer Form, die den Belangen des Geheimschutzes Rechnung trägt, regelmäßig über
die Kontrolltätigkeit zu unterrichten. Darüber hinaus muss es den Kontrollinstanzen
möglich sein, in abstrakter, die Geheimhaltung gewährleistender Weise ihre Beanstandungen und Kritik letztlich auch an das Parlament und damit an die Öffentlichkeit
heranzutragen.
(3) Da die Kontrollprozesse Parlament und Öffentlichkeit weithin verschlossen bleiben, dabei aber zugleich in einem potentiellen Spannungsverhältnis zu der auf dem
Prinzip der Geheimhaltung beruhenden Arbeit des Bundesnachrichtendienstes stehen und sich überdies die Bedingungen der Überwachungsmaßnahmen wie deren
Kontrolle angesichts der Fortentwicklung der Technik schnell wandeln können, bedarf die Wirksamkeit der Kontrolle ständiger Beobachtung. Dabei ist die Effektivität
sowohl der Kontrolle in der Praxis als auch der gesetzlichen Regelungen in regelmäßigen Abständen zu evaluieren (zu Evaluierungspflichten vgl. auch BVerfGE 150, 1
<90 Rn. 176>).

299

g) Die daneben bestehende Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium
und dessen Ständigen Bevollmächtigten, die gleichfalls der Ausgestaltung des Gesetzgebers unterliegt und in die Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen einbezogen werden kann (vgl. etwa § 14 G 10), ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Sie hat eine eigene, nicht speziell auf die Rechts- und Grundrechtskontrolle
begrenzte Funktion und ist Ausdruck der allgemeinen parlamentarischen Verantwortung für die sachgerechte und politisch angemessene Aufgabenwahrnehmung der
Exekutive (vgl. Waldhoff, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg [Hrsg.], Reform der
Nachrichtendienste zwischen Vergesetzlichung und Internationalisierung, 2019, S.
73 <75>). Anforderungen zu ihrer Ausgestaltung lassen sich aus den in vorliegendem
Verfahren geltend gemachten Grundrechten nicht ableiten; umgekehrt bleiben diesbezüglich aus der Verfassung herzuleitende Befugnisse des Parlaments gegenüber
der Exekutive von den vorstehenden Maßgaben unberührt (vgl. hierzu BVerfGE 143,
101).

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VI.
Nach den vorstehenden Maßgaben genügen die angegriffenen Vorschriften den
verfassungsrechtlichen Anforderungen auch materiell nicht. Sie beruhen – wie schon
die Verletzung des Zitiergebots des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG (oben Rn. 134 f.) – auf
der verfassungsrechtlich unzutreffenden Annahme, die Grundrechte seien für die in
Frage stehenden Überwachungsbefugnisse nicht anwendbar. Da die Vorschriften
bereits aus formellen Gründen verfassungswidrig sind, werden bei ihrer materiellen
Beurteilung nur die zentralen Defizite aufgegriffen. Eine Neuregelung der Befugnisse
des Bundesnachrichtendienstes wird die Vorschriften insgesamt auch an den Grundrechten der hinsichtlich ihrer Telekommunikation überwachten Personen und damit
an den oben entwickelten Maßgaben auszurichten haben.

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