(unten Rn. 272 ff.).
b) Sieht das Gesetz Benachrichtigungspflichten nicht vor, kann Art. 10 Abs. 2 Satz
2 GG zu beachten sein. Dieser führt indes nicht zu engen verfassungsrecht- lichen
Vorgaben für die organisationsrechtliche Ausgestaltung einer stattdessen zu schaffenden objektivrechtlichen Kontrolle. Sein Anwendungsbereich ist schon hinsichtlich
seiner Merkmale „Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ und „Bestand oder Sicherung des Bundes oder eines Landes“ eng begrenzt (vgl. BVerfGE
100, 313 <397 f.>). Selbst soweit die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG
vorliegen, folgt aus dessen Verweis auf von der Volksvertretung bestellte Organe
oder Hilfsorgane keine detaillierte Organisationsanleitung. Vorgegeben ist allein,
dass das mit der Nachprüfung betraute Kontrollorgan vom Parlament geschaffen sein
muss und seine Mitglieder parlamentarisch – und damit unter Berücksichtigung der
verschiedenen im Parlament vertretenen politischen Richtungen – bestimmt werden
müssen. Doch kann das Kontrollorgan innerhalb oder außerhalb des Parlaments gebildet werden (vgl. BVerfGE 30, 1 <23>; 143, 1 <12 Rn. 39>). Eine Besetzung mit
Bundestagsabgeordneten ist damit folglich nicht notwendig verbunden. Ebensowenig
ist hierdurch eine organisatorische Verselbständigung mit strengen Geheimhaltungsregeln auch gegenüber dem Parlament ausgeschlossen (zu der insoweit eigenen
Grundsätzen folgenden parlamentarischen Verantwortlichkeit des Bundesnachrichtendienstes, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, vgl. BVerfGE
143, 101 <133 ff. Rn. 106 ff.>). Das Organ kann als unabhängige Institution auch innerhalb des Funktionsbereichs der Exekutive ausgestaltet werden (vgl. BVerfGE 30,
1 <28>; 143, 1 <12 Rn. 39>; näher zu den Gestaltungsanforderungen und -möglichkeiten unten Rn. 274 ff.).
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3. Die strategische Telekommunikationsüberwachung ist danach mit den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit nur vereinbar, wenn sie durch eine ausgebaute unabhängige objektivrechtliche Kontrolle flankiert ist. Dies betrifft sowohl die strategische Überwachung und die damit verbundene Datennutzung selbst als auch die
Übermittlung der mit ihr gewonnenen Erkenntnisse und die diesbezügliche Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten. Die Kontrolle ist als kontinuierliche Rechtskontrolle auszugestalten, die einen umfassenden Kontrollzugriff ermöglicht. Sie ist
auf die Wahrung der Grundrechte der Betroffenen auszurichten und gilt der Sicherung und praktischen Effektivierung der rechtlichen Grenzen der staatlichen Überwachungstätigkeit.
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a) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der objektivrechtlichen Kontrolle sind in Bezug auf die strategische Überwachung besonders
hoch und detailliert. Denn mit der Kontrolle ist ein Ausgleich dafür zu schaffen, dass
übliche rechtsstaatliche Sicherungen in weitem Umfang ausfallen. Sie hat insoweit
zwei Funktionen zu erfüllen: Zum einen muss sie das Rechtsschutzdefizit aus- gleichen, das durch die faktische Schwäche der individuellen Rechtsschutzmöglichkeiten besteht. Da die Auslandsfernmeldeaufklärung wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit nur sehr begrenzte Auskunfts- und Benachrichtigungspflichten gebietet
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