Leitsätze

zum Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020
- 1 BvR 2835/17 1. Die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nach
Art. 1 Abs. 3 GG ist nicht auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt.
Der Schutz der einzelnen Grundrechte kann sich im Inland und Ausland unterscheiden.
Jedenfalls der Schutz des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2
GG als Abwehrrechte gegenüber einer Telekommunikationsüberwachung erstreckt sich auch auf Ausländer im Ausland.
2. Die derzeitigen Regelungen zur Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung, zur Übermittlung der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse und zur Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten verletzen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG; der
Gesetzgeber hat die Grundrechte bewusst als nicht betroffen erachtet,
obwohl sie auch hier anwendbar sind. Sie genügen auch zentralen materiellen Anforderungen der Grundrechte nicht.
3. Art. 10 Abs. 1 GG schützt die Vertraulichkeit individueller Kommunikation als solche. Personen, die geltend machen, in ihren eigenen
Grundrechten verletzt zu sein, sind nicht deshalb vom Grundrechtsschutz des Grundgesetzes ausgeschlossen, weil sie als Funktionsträger einer ausländischen juristischen Person handeln.
4. Die Regelung der Auslandsaufklärung fällt unter die auswärtigen Angelegenheiten im Sinne von Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Bundesnachrichtendienst kann auf dieser Kompetenzgrundlage über die Aufgabe
einer außen- und sicherheitspolitischen Unterrichtung der Bundesregierung hinaus als eigene, nicht operativ wahrzunehmende Aufgabe
die Früherkennung von aus dem Ausland drohenden Gefahren von internationaler Dimension übertragen werden. Es muss sich um Gefahren handeln, die sich ihrer Art und ihrem Gewicht nach auf die Stellung der Bundesrepublik in der Staatengemeinschaft auswirken
können und gerade in diesem Sinne von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind.

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