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26
Zivildienst
26.1
Neuregelung des Rechts der
Kriegsdienstverweigerung
Durch eine umfassende Neuregelung des Rechts der
Kriegsdienstverweigerung sind u. a. die Befragungen und
Überprüfungen durch die Ausschüsse und Kammern weggefallen.
Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung (Kriegsdienstverweigerungs-Neuregelungsgesetz) vom 9. August 2003 wurde vor allem das
Gesetz über die Verweigerung des Kriegsdienstes mit der
Waffe aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerungsgesetz – KDVG) grundlegend geändert.
Am Gesetzgebungsverfahren bin ich vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereits
nach Erstellung des ersten (internen) Referentenentwurfs
beteiligt worden. Dies gab mir die Möglichkeit, in einem
sehr frühen Stadium eine datenschutzrechtliche Beratung
durchzuführen, was ich ausdrücklich begrüßt habe.
Erfreulich ist z. B., dass die obligatorische Vorlage eines
Führungszeugnisses nach § 30 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) entfallen ist. Allerdings ist es datenschutzrechtlich problematisch, dass das Bundesamt für
den Zivildienst (BAZ) nach § 6 Abs. 3 KDVG ein Führungszeugnis nach § 31 BZRG anfordern kann, wenn seiner Auffassung nach Zweifel an der Wahrheit der Angaben des Kriegsdienstverweigerers bestehen und
anzunehmen ist, dass diese Zweifel durch die Einholung
eines solchen Führungszeugnisses aufgeklärt werden
können. Dies stellt eine grundsätzliche Verschlechterung
für die Betroffenen im Vergleich zur früheren Rechtslage
dar. Das Führungszeugnis nach § 31 BZRG enthält nämlich gegenüber dem Führungszeugnis nach § 30
Abs. 1 BZRG ggf. zusätzliche (negative) Informationen
über sie.
Auf der anderen Seite stellt die Tatsache, dass nur noch in
Ausnahmefällen überhaupt ein Führungszeugnis zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wird, einen datenschutzrechtlichen Mehrwert dar. Ich habe mich unter Zurückstellung von Bedenken dem Vorschlag des BMJ
angeschlossen, wobei ich insbesondere Wert darauf lege,
dass der Grund für die Anforderung, die eine Ermessensentscheidung ist, aktenkundig gemacht wird. Die Formulierung: „Wenn Zweifel an der Wahrheit der Angaben der
Antragstellerin oder des Antragstellers bestehen und anzunehmen ist, dass diese Zweifel durch die Einholung eines Führungszeugnisses aufgeklärt werden können“ (§ 6
Abs. 3 Satz 1 KDVG), entspricht inhaltlich meinem Vorschlag, nur im begründeten Einzelfall eine solche Auskunft einzuholen und gibt Rechtsanwendern Kriterien für
ihre Entscheidung an die Hand.
Ich werde die Praxis des BAZ im Hinblick auf die Erforderlichkeit solcher Anforderungen aufmerksam beobachten.
26.2
Zivildienst und Wehrgerechtigkeit
Nach einem – nicht rechtskräftigen – Urteil des Verwaltungsgerichts Köln ist die Einberufung zum Wehrdienst
ungerecht und deshalb rechtswidrig. Führt diese Entscheidung auch zu rechtlichen Konsequenzen für das Einplanungsverfahren des Bundesamts für den Zivildienst
(BAZ)?
Die Frage nach der Wehrgerechtigkeit hat im Jahre 2004
sowohl das VG Köln als auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Mit Urteil vom 21. April 2004
(Az: 8 K 154/04) gab das VG Köln der Klage eines
Wehrpflichtigen statt, der sich gegen seine Einberufung
gewendet hatte. Das Gericht sah keine gesetzliche Grundlage für die seit dem 1. Juli 2003 geltenden Einberufungsrichtlinien des BMVg. Nach diesen Richtlinien werden
größere Gruppen von Wehrpflichtigen von der Einberufung ausgenommen, wie z. B. verheiratete oder über
23 Jahre alte Männer. Zur Begründung wird auf eine ältere Entscheidung des BVerfG verwiesen, wonach die
Wehrgerechtigkeit verlange, dass bei der Einberufung zur
Wehrpflicht nicht willkürlich und ohne sachlich zwingenden Grund unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Das Bundesverwaltungsgericht (Az: 6C9.04) hat am
19. Januar 2005 dagegen entschieden, dass trotz der geltenden Ausnahmen die Wehrgerechtigkeit nicht verletzt
sei, wenn die Zahl der nach den gesetzlichen Regeln zur
Einberufung verfügbaren Wehrpflichtigen „weitgehend“
ausgeschöpft werde, d. h. keine Willkür bei der Einberufung vorliege.
Vor diesem Hintergrund – der Zivildienst ist die alternative Möglichkeit der Erfüllung der Wehrpflicht; die Einberufung zum Zivildienst ist daher Ausfluss der
Wehrgerechtigkeit – erhielt ich mehrere Eingaben von
Kriegsdienstverweigerern (KDV), deren personenbezogene Daten vom BAZ im Rahmen des Einplanungsverfahrens an Wohlfahrtsverbände übermittelt worden waren. Diese Verbände wandten sich an die KDV, um ihnen
einen Zivildienstplatz anzubieten. Hierin sahen die KDV
einen Verstoß gegen den Datenschutz. U. a. wurde argumentiert, dass derjenige KDV, der lange genug wartet und
sich nicht aktiv um einen Zivildienstplatz bemühe, wegen
der begrenzt zur Verfügung stehenden Stellenzahl nicht
vom BAZ eingeplant werde. In den Anschreiben der
Wohlfahrtsverbände sahen die KDV unzulässige „Werbeschreiben“ und eine nachteilige Aufforderung, sich um
einen Zivildienstplatz mit der nachfolgenden Einberufung
zum Zivildienst zu bemühen.
Die von mir eingeholte Stellungnahme des BAZ zur
Rechtfertigung des Einplanungsverfahrens und der damit
verbundenen Datenübermittlung hat mich überzeugt.
§ 5a ZDG regelt, dass Wohlfahrtsverbände mit der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben beauftragt werden
können. Die Aufgabenübertragung auf die Verbände erfolgt auf der Grundlage eines Vertrages zur Übertragung
von Verwaltungsaufgaben (sog. ÜVA-Vertrag). Bestandteil dieses Vertrages sind die Richtlinien für die Durchführung übertragener Verwaltungsaufgaben (ÜVA-Richtlinien). Auf Grund dieser vertraglichen Vereinbarungen
nehmen die Verbände als beliehene Unternehmer hoheitliche Aufgaben wahr und gelten gemäß § 2 Abs. 4
Satz 2 BDSG als öffentliche Stellen im Sinne des BDSG.
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004