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Identifizierungsmusters nicht unerhebliche Eingriffe in
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen, wie das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen (vgl. insbes. den Kammerbeschluss vom
15. März 2001, NJW 2001, S. 2320) dargelegt hat.
Derartige Eingriffe bedürfen einer gesetzlichen Legitimation unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismä-

ßigkeit im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit.
An diesen Kriterien ist das geltende Recht ausgerichtet.
Entscheidend ist, dass bei der Nutzung der DNA-Analyse
auch in Zukunft Augenmaß bewahrt und die wertsetzende
Bedeutung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beachtet wird (vgl. Entschließung der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern vom 16. Juli 2003 –
Kasten zu Nr. 7.3).
K a s t e n zu Nr. 7.3

Entschließung
zwischen der 65. und 66. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der
Länder vom 16. Juli 2003
Bei der Erweiterung der DNA-Analyse Augenmaß bewahren
Derzeit gibt es mehrere politische Absichtserklärungen und Gesetzesinitiativen mit dem Ziel, die rechtlichen Schranken in § 81g StPO für die Entnahme und Untersuchung von Körperzellen und für die Speicherung der dabei gewonnenen DNA-Identifizierungsmuster (sogen. genetischer Fingerabdruck) in der zentralen DNA-Analyse-Datei des
BKA abzusenken.
Die Vorschläge gehen dahin,
– zum einen als Anlasstat zur Anordnung einer DNA-Analyse künftig nicht mehr – wie vom geltenden Recht gefordert – in jedem Fall eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder – wie jüngst vom Bundestag beschlossen – eine
Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu verlangen, sondern auch jede andere Straftat mit sexuellem Hintergrund oder sogar jedwede Straftat ausreichen zu lassen,
– zum anderen die auf einer eigenständigen, auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Gefahrenprognose beruhende
Anordnung durch Richterinnen und Richter entfallen zu lassen und alle Entscheidungen der Polizei zu übertragen.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder weisen darauf hin, dass die Anordnung der Entnahme und
Untersuchung von Körperzellen zur Erstellung und Speicherung eines genetischen Fingerabdrucks einen tiefgreifenden und nachhaltigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen darstellt; dies hat
auch das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom Dezember 2000 und März 2001 bestätigt.
Selbst wenn bei der DNA-Analyse nach der derzeitigen Rechtslage nur die nicht-codierenden Teile untersucht werden: Schon daraus können Zusatzinformationen gewonnen werden (Geschlecht, Altersabschätzung, Zuordnung zu
bestimmten Ethnien, möglicherweise einzelne Krankheiten wie Diabetes, Klinefelter-Syndrom). Auch deshalb lässt
sich ein genetischer Fingerabdruck mit einem herkömmlichen Fingerabdruck nicht vergleichen. Zudem ist immerhin
technisch auch eine Untersuchung des codierenden Materials denkbar, so dass zumindest die abstrakte Eignung für
viel tiefer gehende Erkenntnisse gegeben ist. Dies bedingt unabhängig von den gesetzlichen Einschränkungen ein höheres abstraktes Gefährdungspotential.
Ferner ist zu bedenken, dass das Ausstreuen von Referenzmaterial (z. B. kleinste Hautpartikel oder Haare), das mit
dem gespeicherten Identifizierungsmuster abgeglichen werden kann, letztlich nicht zu steuern ist, so dass in höherem
Maß als bei Fingerabdrücken die Gefahr besteht, dass genetisches Material einer Nichttäterin oder eines Nichttäters
an Tatorten auch zufällig, durch nicht wahrnehmbare Kontamination mit Zwischenträgern oder durch bewusste Manipulation platziert wird. Dies kann für Betroffene im Ergebnis zu einer Art Umkehr der Beweislast führen.
Angesichts dieser Wirkungen und Gefahrenpotentiale sehen die Datenschutzbeauftragten Erweiterungen des Einsatzes der DNA-Analyse kritisch und appellieren an die Regierungen und Gesetzgeber des Bundes und der Länder, die
Diskussion dazu mit Augenmaß und unter Beachtung der wertsetzenden Bedeutung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung zu führen. Die DNA-Analyse darf nicht zum Routinewerkzeug jeder erkennungsdienstlichen Behandlung und damit zum alltäglichen polizeilichen Eingriffsinstrument im Rahmen der Aufklärung und Verhütung
von Straftaten jeder Art werden. Auf das Erfordernis der Prognose erheblicher Straftaten als Voraussetzung einer
DNA-Analyse darf nicht verzichtet werden.
Im Hinblick auf die Eingriffsschwere ist auch der Richtervorbehalt für die Anordnung der DNA-Analyse unverzichtbar. Es ist deshalb auch zu begrüßen, dass zur Stärkung dieser grundrechtssichernden Verfahrensvorgabe für die Anordnungsentscheidung die Anforderungen an die Begründung des Gerichts gesetzlich präzisiert wurden. Zudem sollte
die weit verbreitete Praxis, DNA-Analysen ohne richterliche Entscheidung auf der Grundlage der Einwilligung der
Betroffenen durchzuführen, gesetzlich ausgeschlossen werden.

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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