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Beratungs- und Kontrollbesuche beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) und beim Bundeskriminalamt (BKA).
Bei meinem ersten Besuch beim GBA habe ich die Umsetzung der dortigen „Richtlinie für die Überwachung
und Aufzeichnung von Telekommunikationsvorgängen
gemäß §§ 100a ff. StPO“ anhand von Verfahrensakten
kontrolliert. Dabei ist mir aufgefallen, dass die nach Beendigung einer Überwachungsmaßnahme durchzuführenden Überprüfungen, ob und was gelöscht werden kann,
sowie die Löschungen von Wortprotokollen in den Vorgängen nicht dokumentiert waren. Auch waren entgegen
der Richtlinie Vermerke über die Benachrichtigung bzw.
die Tatsache, dass die Beschuldigten nicht benachrichtigt
wurden, offensichtlich nicht dem Abteilungsleiter vorgelegt worden. Auf meine Anregung hin hat der GBA die
Richtlinie dahingehend ergänzt, dass zur Fristenüberwachung und vereinfachten Dokumentation ein Kontrollblatt zu führen ist. Da sich zudem die vorgesehene Benachrichtigung des Anschlussinhabers in bestimmten
Fällen als unzweckmäßig erwiesen hatte, passte der GBA
die Richtlinie entsprechend meiner Empfehlung diesbezüglich an. Außerdem war ich mit dem GBA darin einig,
dass von der Benachrichtigung der Beteiligten nur dann
abgesehen werden kann, wenn anderenfalls in die Rechte
des Beschuldigten unverhältnismäßig eingegriffen würde,
was im Regelfall erst durch eine umfassende Einzelfallabwägung und nicht durch einen bloßen Hinweis auf die
Richtlinie festzustellen ist. Gemäß meiner Anregung hat
der GBA zudem angeordnet, dass die Richtlinie auch für
Maßnahmen der akustischen Wohnraumüberwachung
entsprechend anzuwenden ist. Denn die Durchsicht der
mir ebenfalls zur Verfügung gestellten Sonderhefte
„Wohnraumüberwachung“ hatte ergeben, dass die Führung von Kontrollblättern oder die Ablage der Wortprotokolle mangels verbindlicher Regelung nicht einheitlich
gehandhabt wurde. Auch existierte keine ausdrückliche
Klarstellung über den Umgang mit nicht mehr benötigten
Wortprotokollen.
Weiterer Prüfungsgegenstand war die Frage, wie technisch ausgeschlossen werden kann, dass nicht verfahrensrelevante Gesprächsaufzeichnungen weiter benutzt werden. Hierzu habe ich mich auch beim BKA informiert.
Dabei ergab sich, dass eine elektronische Sperrung von
Gesprächen nur während der Auswertung erfolgen kann,
solange die Gesprächsdaten noch in der DV-Anlage gespeichert sind. Die Gesprächsdaten werden allerdings in
den Ermittlungsreferaten des BKA aus Gründen der Beweisführung nicht gesperrt, da erst die Staatsanwaltschaft
bzw. das Gericht entscheidet, was beweisrelevant ist.
Vielmehr wird in entsprechenden Fällen vermerkt, dass es
sich um ein „irrelevantes Gespräch“ handelt. Aus Sicht
des GBA erscheint eine Sperrung nicht möglich, da selbst
bei abgeschlossenen Verfahren gegen einen Beschuldigten zumindest in sog. Strukturverfahren nach §§ 129,
129a Strafgesetzbuch Gespräche für weitere Ermittlungen
relevant sein könnten.

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

Offen geblieben war, ob Auswertungsvermerke des BKA
über Telekommunikations- oder Wohnraumüberwachungen Bestandteile der Sachakten seien und somit – anders
als die Wortprotokolle – nicht vernichtet werden müssten.
Ein Meinungsaustausch mit den Landesbeauftragten für
den Datenschutz bestärkte mich in der Ansicht, dass eine
weitere Aufbewahrung von Auswertungsvermerken, die
Teile von Wortprotokollen enthalten, die Regelung in
§ 100b Abs. 6 StPO unterläuft und solche Vermerke
ebenfalls nach Abschluss einer Überwachung zu vernichten sind. Der GBA hat angekündigt, die Richtlinie dahingehend zu ergänzen, dass Sachaktenvermerke keine wörtlichen Zitate aus Überwachungsmaßnahmen mehr
enthalten sollen.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Errichtungsanordnung
gemäß § 490 StPO über automatisierte Dateien. Zu den
von mir geäußerten Bedenken hat der GBA die Bereitschaft signalisiert, die elektronische Aufbewahrungsfrist
für das StR-Register (Revisionen in Strafsachen) – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesgerichtshofs – von
50 Jahren auf 30 Jahre herabzusetzen und so der Aufbewahrungsfrist für Handakten über Revisionen in Strafsachen anzupassen. Auch hat er angekündigt, die Sonderdatei „Telekommunikationsüberwachung“ alsbald in der
Errichtungsanordnung gemäß § 490 StPO aufzunehmen.
Der GBA will hingegen an der Praxis festhalten, den Datenbestand des BJs-/StE-Verfahrensregisters (Ermittlungsverfahren) erst drei Jahre nach Erledigung des Verfahrens zu reduzieren, da dieser Zeitraum zur
Durchführung des Bund-/Länder-Finanzausgleichs erforderlich sei. Ich halte diese Argumentation nicht für überzeugend. Finanzwirtschaftliche Erwägungen können eine
fortdauernde Speicherung dieser sensiblen personenbezogenen Daten m.E. nicht rechtfertigen.
Hinsichtlich der innerbehördlichen Datenübermittlung
habe ich kritisch angemerkt, dass auf das Register der
Abteilung I (Revision in Strafsachen) abteilungsübergreifend zugegriffen werden kann. Der GBA hat eine alsbaldige Beschränkung der Zugriffsmöglichkeiten zugesagt.
Der in diesem Zusammenhang von mir besonders problematisierte behördenweite Zugriff auf das Register über
allgemeine oder nicht unmittelbar einem Vorgang zuzuordnende Eingaben ist hingegen nach Ansicht des GBA
für die tägliche Arbeit aller Abteilungen unverzichtbar.
Ich hoffe, dass der GBA die von mir kritisierte Praxis
noch korrigieren wird.
7.3

Genomanalyse im Strafverfahren

Die unbestreitbaren Ermittlungserfolge unter Einsatz der
DNA-Analyse rechtfertigen nicht den Wegfall der für dieses Instrument bestehenden rechtlichen Vorgaben.
In der Praxis der Strafverfolgungsbehörden hat sich die
DNA-Analyse zu einer wirkungsvollen Ermittlungsmethode entwickelt. In der kriminalpolitischen Diskussion
wird deshalb die Forderung immer lauter, die aus verfassungsrechtlichen Gründen vom Gesetzgeber errichteten
rechtlichen Vorgaben für die Nutzung der DNA-Analyse
zur Identitätsfeststellung in Strafverfahren ganz oder teilweise zu beseitigen. Allerdings muss dabei klar sein, dass
Feststellung, Speicherung und Verwendung des DNA-

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