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abgestellt hat, war es mir nach § 25 Abs. 2 BDSG möglich, von einer förmlichen Beanstandung abzusehen. Ich
habe mir jedoch ausdrücklich eine erneute Kontrolle, insbesondere im Verwaltungsbereich, einer anderen BfAKlinik vorgemerkt.
19

Unfallversicherung

19.1

Gutachtertätigkeit

Die Gutachterregelung war eines der Herzstücke der
Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung und hat bis heute in Konfliktsituationen nichts von
ihrer Brisanz eingebüßt.
Die anhaltenden Anfragen und Eingaben von Versicherten sowie Gespräche mit einzelnen Berufsgenossenschaften, dem Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften und dem Bundesversicherungsamt (BVA) als
der zuständigen Aufsichtsbehörde für die Unfallversicherungsträger zeigen die große Bedeutung der Gutachterregelung. Da das medizinische Gutachten zur Kausalität eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit für die
Gesundheitsbeeinträchtigung von den Unfallversicherungsträgern in den meisten Fällen zur Grundlage ihrer
Entscheidung gemacht wird, ist die Möglichkeit für die
Versicherten, an der Auswahl des Sachverständigen mitwirken zu können, von zentraler Bedeutung. Die intensiven Gespräche mit den genannten Stellen und die langen
Zeiträume der Versuchs- und Umsetzungsphasen haben in
vielen Bereichen der gesetzlichen Unfallversicherung zu
deutlichen Verbesserungen geführt. Die noch im 19. TB
(Nr. 26.1.2) als ein Schwerpunktthema behandelte Abgrenzung zwischen einem beratenden Arzt und einem
Gutachter hatte im Berichtszeitraum deutlich an Bedeutung verloren. Mit Ausnahme des Verfahrens nach dem
BK-Report (vgl. Nr. 19.3) haben sich die von dem Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften, dem
BVA und mir entwickelten Abgrenzungskriterien in der
Praxis bewährt. Die in Einzelfällen festgestellten Verstöße in diesem Bereich wurden von den jeweiligen Berufsgenossenschaften eingeräumt und die entsprechenden
Gutachten gelöscht.
Bei den unverändert sehr problematischen Fragen des
Gutachtervorschlagsrechts der Versicherten und der Anwendung datenschutzrechtlicher Regelungen bei der Beauftragung eines Gutachters während eines anhängigen
Gerichtsverfahrens zeichnen sich zumindest positive Lösungsansätze ab, sodass ich auch hier eine Verbesserung
des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Versicherten erwarte.
19.1.1 Vorschlagsrecht des Versicherten
Das BMGS hält eine gesetzliche Normierung des Gutachtervorschlagsrecht für Versicherte nicht für erforderlich;
eine Selbstverpflichtung der Unfallversicherungsträger,
den Versicherten dieses Recht zu gewährleisten, sei ausreichend.
Meine wiederholte Forderung, den Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung ein eigenes Vorschlags-

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

recht für Gutachter einzuräumen, hatte in dem Beschluss
des Deutschen Bundestages zu meinem 18. Tätigkeitsbericht (Bundestagsdrucksache 14/9490 Nr. 7) zu einem
entsprechenden Prüfauftrag an die Bundesregierung geführt. Nach Gesprächen mit den Geschäftsführern der Berufsgenossenschaften, dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und dem BVA hält das
BMGS es aber nicht für erforderlich, eine gesetzliche Regelung in das SGB VII aufzunehmen. Das Ministerium
betonte mir gegenüber zwar ausdrücklich, dass der Versicherte in der Praxis das Recht haben solle, selbst einen
oder mehrere Gutachter vorzuschlagen; die Unfallversicherungsträger seien aber eine Selbstverpflichtung eingegangen, die in mehreren Pilotverfahren erprobten Verfahrensweisen (18. TB Nr. 23.1.2; 19. TB Nr. 26.1.1)
nunmehr flächendeckend umzusetzen. Diese Argumentation ist nicht unproblematisch. Das BMGS, das BVA und
die Berufsgenossenschaften greifen bei der Gutachtervorschlagsregelung auf § 20 Abs. 3 SGB X zurück, wonach
eine Behörde die Entgegennahme von Anträgen nicht
verweigern darf. Diese Vorschrift bleibt aber deutlich hinter dem angestrebten Recht der Versicherten zurück,
selbst einen Gutachter vorschlagen zu dürfen. Meine Bedenken habe ich zunächst zurückgestellt, da sich die Berufsgenossenschaften in Abstimmung mit dem BMGS
und dem BVA zu einer flächendeckenden Umsetzung des
Gutachtervorschlagsrechts verpflichtet haben. Zu der
nach Jahresfrist beabsichtigten Evaluierung werde ich
mich äußern.
19.1.2 Empfehlungspapier für
Gutachtervorschläge
Ein Fortschritt in der Verfahrenstransparenz in der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Absicht der Berufsgenossenschaften, eine Liste mit allen von ihnen akzeptierten Gutachtern veröffentlichen zu wollen.
Die Berufsgenossenschaften haben in einem „Empfehlungspapier für Gutachtervorschläge“ ein Verfahren erarbeitet, dass zugleich der Qualitätssicherung und der Lenkung von Gutachtervorschlägen dienen soll. Dazu haben
sie in Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften, insbesondere mit der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin,
Kriterien für die Aufnahme in eine Gutachterliste erstellt:
In einem allgemeinen Teil werden von den Berufsgenossenschaften Kriterien vorgegeben, wie z. B. Erfahrungen
bei Begutachtungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, klinische Ausstattung, Fortbildung, Publikationen.
Auf Antrag eines Mediziners oder Sachverständigen wird
anhand der aufgestellten Kriterien die Aufnahme in die
Liste geprüft. Diese soll anschließend von den Unfallversicherungsträgern veröffentlicht werden.
In der Behandlung der Gutachtervorschläge der Versicherten betonten die Vertreter der Berufsgenossenschaften ausdrücklich, dass Versicherte auch weiterhin Gutachter vorschlagen könnten, die nicht auf der Liste stünden.
Sei ein Gutachter nicht in die Liste aufgenommen, stelle
das keinen ausreichenden Grund für die Ablehnung des
entsprechenden Vorschlages dar. Dieses Verfahren werde
ich in Stichprobenkontrollen überprüfen.

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