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Krankenkassen, das Verfahren der Befreiung von Zuzahlungen (Belastungsgrenze), die sog. Bonusprogramme
der Krankenkassen sowie die Übernahme von Fahrtkosten.
Meine Prüfergebnisse, insbesondere zu nicht datenschutzkonformen Verfahrensweisen, sowie weitere datenschutzrechtliche Hinweise und Empfehlungen habe ich beiden
Krankenkassen mitgeteilt. Sie betrafen z. B. die bei einer
Krankenkasse gespeicherten Durchschläge oder Kopien
von nach § 194 Abs. 1a SGB V vermittelten privaten
Zusatzversicherungsverträgen mit teilweise sensiblen
personenbezogenen Daten (vgl. Nr. 17.1.2), aber auch bei
beiden Kassen vorgefundene Krankenhausentlassungsberichte, Behandlungsunterlagen oder sonstige ärztliche Berichte, die diese auf Grundlage von unzulässigen Einwilligungserklärungen der Versicherten angefordert und
gespeichert hatten (vgl. Nr. 17.1.5).
In einigen Fällen habe ich detaillierten Handlungsbedarf
aufgezeigt, um dort in Zukunft eine datenschutzkonforme
Verarbeitung der Sozialdaten der Versicherten sicherzustellen. Dieser bezog sich bei beiden Krankenkassen z. B.
auf Sozialdaten (Diagnosen zu Arbeitsunfähigkeitszeiten), die längst hätten gelöscht sein müssen, und bei einer
Kasse auf gespeicherte Gesprächs-/Telefonvermerke mit
subjektiven und Versicherte negativ-kennzeichnenden
und für die Aufgabenerfüllung nicht erforderlichen Inhalten, aber auch auf die sehr problematische Übermittlung
sensibler Sozialdaten – auch mit medizinischen Inhalten –
an Dritte per Telefax. Die Gespräche mit beiden Krankenkassen dauern noch an.
17.2
Pflegeversicherung
17.2.1 Pflegedokumentation – Objekt
der Begierde
Die in der Pflegedokumentation enthaltenen Daten
(z. B. Anamnese- und Diagnosedaten) wecken nach wie
vor großes Interesse bei den Pflege- und Krankenkassen.
Die Frage, ob die Einsichtnahme in Pflegedokumentationen durch Pflegekassen zulässig ist, hat mich weiterhin
beschäftigt (vgl. auch 19. TB Nr. 24.2.2). Meine Auffassung, die Kenntnis vom Inhalt der Pflegedokumentation
sei für die Aufgabenerfüllung (z. B. Leistungsprüfung
und -abrechnung) der Pflegekasse nicht erforderlich und
die Erhebung dieser Daten damit unzulässig, hatte bei den
Kranken- und Pflegekassen zunächst hohe Wellen geschlagen.
Vor diesem Hintergrund hat das BMGS diesen gesamten
Themenkomplex unter meiner Beteiligung mit den Spitzenverbänden der Kranken- und Pflegekassen diskutiert
und in einem Rundschreiben auch die Berufs- und Wohlfahrtsverbände im Bereich der Pflege über die Ergebnisse
informiert (vgl. Kasten zu Nr. 17.2.1).
Dabei wurde Einvernehmen erzielt, dass nur im Rahmen
des § 114 Abs. 6 Satz 1 SGB XI ein Einsichtsrecht des
Vertreters der Pflegekasse in die Pflegedokumentation besteht, wenn dieser im Rahmen einer örtlichen Prüfung der
Abrechnungen nach § 114 Abs. 1 bis 3 SGB XI hinzugezogen wird. Für eine Weitergabe der Pflegedokumentation an die Pflegekassen besteht weder eine gesetzliche
Grundlage, noch ein Bedarf, weil der Inhalt der Abrechnungsunterlagen in § 105 SGB XI abschließend geregelt
ist und die Pflegedokumentation danach keine Abrechnungsunterlage darstellt. Es bestand auch Einvernehmen
darüber, dass über § 114 Abs. 6 Satz 1 SGB XI hinaus
weder eine Verpflichtung noch eine Berechtigung der
Pflegeeinrichtung besteht, die Pflegedokumentation den
Pflegekassen zu überlassen.
Wie ich inzwischen erfahren habe, interpretieren einige
Pflege- bzw. Krankenkassen das o. g. Rundschreiben des
BMGS fälschlicherweise so, dass sie nunmehr berechtigt
seien, Abrechnungsprüfungen unter Einbeziehung der
Pflegedokumentation durchzuführen. Darüber hinaus
wollen einige Pflegekassen einen sog. „Beratungsservice“ anbieten, bei dem nach meinen Informationen ebenfalls eine Einsichtnahme in die Pflegedokumentation erfolgen soll.
Um einer Fehlinterpretation des Schreibens des BMGS
vorzubeugen, habe ich gegenüber den Spitzenverbänden
der Kranken- und Pflegekassen nochmals meine im
19. Tätigkeitsbericht zum Einsichtsrecht der Pflegekassen
in die Pflegedokumentation dargelegte Auffassung bekräftigt. Eine Rechtsgrundlage für Pflegekassen, Pflegedokumentationen für ihre Abrechnungsprüfung einzusehen bzw. anzufordern, stellt § 114 Abs. 6 Satz 1 SGB XI
gerade nicht dar. Auch § 284 Abs. 1 Nr. 8 SGB V kann
von den Kranken- und Pflegekassen nicht als gesetzliche
Grundlage herangezogen werden, da es sich hierbei um
eine Vorschrift aus dem Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung handelt, die nicht auf das Recht der Pflegeversicherung übertragen werden kann. Weiter habe ich
klargestellt, dass die örtliche Prüfung entsprechend dem
eindeutigen Wortlaut des § 114 Abs. 1 bis 3 SGB XI allein dem MDK bzw. den von den Landesverbänden der
Pflegekassen bestellten (unabhängigen) Sachverständigen
obliegt. Für eine Qualitätsprüfung durch die Pflegekassen
selbst verbleibt kein Raum.
Sollten auf Landesebene in vertraglichen Vereinbarungen
zwischen Pflegekassen und Pflegediensten bzw. deren
Landesverbänden entsprechende Befugnisse der Pflegekassen zur Einsichtnahme in die Pflegedokumentation
vorgesehen sein, die über den oben aufgezeigten Umfang
hinausgehen, wäre dies, auch vor dem Hintergrund des
besonderen Schutzes der Persönlichkeitsrechte pflegebedürftiger Menschen (§ 84a Abs. 1 SGB X), eine
unzulässige Umgehung der eindeutigen gesetzlichen Regelungen. Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten könnte deshalb auf solche Verträge nicht gestützt werden.
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004