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gibt es zudem Schnittstellen bei der Wahrnehmung der
Datenschutzaufgaben, was – wie auch die BA einräumt –
vermeidbare Reibungsverluste verursacht. Die BA hat zur
Verbesserung dieser Strukturen eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Aufgabenabgrenzung zwischen dem Fachreferat und dem BfD/BA erörtern und eine Entscheidung
für eine neue organisatorische Zuordnung vorbereiten
soll. Ich habe der BA meine Mithilfe bei der organisatorischen Neugestaltung angeboten.
16.5

Mangelnde Diskretion in den Agenturen
für Arbeit

Verletzung des Datenschutzes durch fehlende Hinweise,
welche die Kunden auf die Möglichkeit einer Einzelberatung in den Agenturen für Arbeit aufmerksam machen.
Wieder haben sich zahlreiche Petenten an mich gewandt,
die ihre Rechte dadurch verletzt sehen, dass der Vertraulichkeitsschutz in den Kundenservicebereichen der Agenturen für Arbeit aufgrund der räumlich-organisatorischen
Struktur (offener Publikumsverkehr an den Anmeldetresen) nicht gewährleistet ist. Beschwerde wurde auch darüber geführt, dass in den anschließenden Gesprächen jeweils zwei Kunden gleichzeitig in einem Büro beraten
werden.
Bereits in meinem 18. TB (Nr. 20.3) hatte ich auf diese
Problematik im Zusammenhang mit dem unter der Bezeichnung „Arbeitsamt 2000“ entwickelten Konzept der
Bundesanstalt für Arbeit – jetzt Bundesagentur für Arbeit
(BA) – aufmerksam gemacht und die BA aufgefordert,
geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit das unbefugte
Mithören von Sozialdaten unterbunden wird. Trotz der
daraufhin vorgenommenen raumgestaltenden Maßnahmen wie Diskretionszonen und Trennwänden lässt es sich
nicht immer vermeiden, dass auch Sozialdaten von anderen Kunden mitgehört werden. Ich habe dieser Vorgehensweise im Hinblick auf den bei den Agenturen für
Arbeit in der Regel großen Publikumsandrang und die
vielfach räumlich unzulänglichen Raumkapazitäten nur
unter der Voraussetzung zugestimmt, dass jeder Kunde
der BA die Möglichkeit hat, auf Wunsch sein Anliegen in
einem separaten Büro in einer Einzelberatung vorzutragen. Aus diesem Grunde ist es, wie mit der BA vereinbart, unbedingt erforderlich, dass in den Anmeldestellen
und Büros, in denen Doppelberatungen stattfinden, entsprechende Hinweisschilder, die auf die Möglichkeit einer Einzelberatung aufmerksam machen, für die Kunden
der BA gut sichtbar aufgestellt werden. Nur so kann der
Kunde selbst entscheiden, ob die „Thekenlösung“ bei der
Anmeldung oder die gleichzeitige Beratung von zwei
Kunden in einem Büro seiner Datenschutzposition gerecht wird.
Leider ist die BA mit der Umsetzung dieser Maßnahme
offensichtlich noch im Verzug. Denn zunehmend gehen
Beschwerden von Petenten ein, die beklagen, dass die erforderlichen Hinweisschilder in den einzelnen Agenturen
für Arbeit nicht vorhanden sind. Ich habe die BA um Abhilfe gebeten und sie aufgefordert, die Maßnahme in allen

Agenturen für Arbeit umzusetzen. Ich werde durch Kontrollen überprüfen, ob diese Mängel abgestellt wurden.
16.6

Privatinkasso ohne Rechtsgrundlage

Für die Einschaltung privater Inkassounternehmen durch
die Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Beitreibung von
Forderungen fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
Ein Petent hat sich dagegen gewandt, dass die Agentur
für Arbeit seine Sozialdaten an ein privates Inkasso-Unternehmen zwecks Beitreibung angeblich zuviel bezahlter
Arbeitslosenhilfe weitergegeben hat. Nach Auskunft der
BA wurden Geldforderungen der BA bislang durch zwölf
Forderungseinzugsstellen eingezogen. Um die Forderungen effektiver und effizienter einzuziehen, laufe derzeit
ein Modellversuch in mehreren Regionaldirektionsbezirken, in dem zwei private Unternehmen mit der Einziehung von Forderungen beauftragt wurden. Der
Modellversuch sei im Rahmen einer Planung im Sozialleistungsbereich gem. § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB X
gestartet worden. Ziel sei es, festzustellen, ob die Einziehung von Forderungen durch private Dritte wirtschaftlicher ist als durch die zwölf Forderungseinzugsstellen
der BA.
Ich halte diese Vorgehensweise datenschutzrechtlich für
problematisch. Zunächst ist die Feststellung nach § 75
Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderlich, dass keine schutzwürdigen Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden
oder dass, selbst wenn eine Beeinträchtigung im vorgenannten Sinne vorliegen sollte, im Rahmen einer Interessenabwägung das öffentliche Interesse das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen erheblich überwiegt. Dies
wird man nur annehmen können, wenn ansonsten öffentliche Aufgaben nicht erfüllt werden können. Das schutzwürdige Interesse des Betroffenen besteht hier in der
Wahrung des Sozialgeheimnisses nach § 35 SGB I. Aus
Sicht des Betroffenen besteht ein erheblicher Unterschied, ob eine Einzugsstelle als öffentliche Stelle mit
dem Einzugsverfahren betraut ist oder ob es sich um einen privaten Dritten handelt. Eine Rechtfertigung für die
Einschaltung eines gewinnorientiert handelnden Dritten
ergibt sich auch nicht aus dem Bedürfnis nach einer effizienteren Organisation des Forderungseinzuges, denn den
Forderungseinzug können auch die Forderungseinzugsstellen leisten.
Da das öffentliche Interesse gegenüber der Wahrung des
Sozialgeheimnisses des Petenten nicht erheblich überwiegt, ist § 75 SGB X keine geeignete gesetzliche Grundlage für die Einschaltung eines privaten Inkassounternehmens zum Zwecke des Forderungseinzuges durch die
BA. Ob die Übertragung klassisch hoheitlicher Aufgaben
wie der Einzug von Geldforderungen des Staates gegen
den Bürger auf private Dritte überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist – ein Problem, dessen Bedeutung über
den vorliegenden Fall hinausgeht – ist noch nicht abschließend geklärt. Ich habe die BA auf die Problematik
hingewiesen. Eine Stellungnahme hierzu steht noch aus.

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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