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erfassung auch nicht erforderlich. Die BA hat sich inzwischen dieser Auffassung angeschlossen.
Es fiel auf, dass die Bögen an einigen Stellen unverständlich waren. Insbesondere dort, wo Daten von Verwandten
oder Verschwägerten abgefragt wurden, herrschte bei den
Antragstellern große Verunsicherung. Nach § 9 Abs. 5
SGB II besteht eine gesetzliche Vermutung, dass Hilfebedürftige, die in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten
oder Verschwägerten leben, Leistungen von diesen Personen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und
Vermögen erwartet werden kann. Um die finanzielle
Leistungsfähigkeit der Verwandten und Verschwägerten
zu überprüfen, wollte die BA generell Informationen über
deren Einkommens- und Vermögenssituation erlangen.
Hier hatte ich allerdings darauf aufmerksam gemacht,
dass die Antragssteller nach dem Gesetz diese Vermutung
widerlegen können. Ferner sind ihre Daten nur dann relevant für die Leistungsberechnung, wenn feststeht, dass
sie den Hilfebedürftigen finanziell unterstützen. Um diese
Vermutung zu widerlegen, reicht es aus, wenn die betroffenen Haushaltsmitglieder eine entsprechende Erklärung gegenüber der BA abgeben. In diesem Fall ist
es nicht mehr notwendig, weitere Angaben abzufragen.
Die BA hat sich dieser Ansicht angeschlossen und dies
bei der Neugestaltung der Antragsformulare berücksichtigt.
Ein weiteres Thema war die Vorgabe an Angehörige von
Antragstellern, ihr Vermögen auf einem Vordruck der BA
anzugeben und ihr Einkommen vom Arbeitgeber bescheinigen zu lassen. Dies war aus datenschutzrechtlicher
Sicht in zweifacher Hinsicht bedenklich. Das entsprechende Zusatzblatt zum Antragsformular war ursprünglich als Doppelseite gedruckt. Auf der Vorderseite sollte
der Angehörige sein Vermögen eintragen, und auf der
Rückseite sollte er sich von seinem Arbeitgeber sein Gehalt bescheinigen lassen. Auf diese Weise konnte der Arbeitgeber Kenntnis von den auf der Vorderseite eingetragenen Vermögensbestandteilen seines Arbeitnehmers
erlangen und zugleich erfahren, dass ein Angehöriger seines Arbeitnehmers arbeitslos ist. Diese Informationen
gehen den Arbeitgeber nichts an. Meiner Forderung, das
Zusatzblatt zu trennen, kam die BA kurzfristig nach.
Damit war aber das Problem noch nicht vollständig
gelöst. Ich hatte vorgeschlagen, das Einkommen statt
durch den BA-Vordruck mittels der üblichen Gehaltsnachweise belegen zu lassen. Entsprechend wird bei der
Sozialhilfe verfahren. Die BA bestand jedoch auf der Verwendung ihrer Vordrucke. Immerhin konnte ich noch erreichen, dass die Druckkennung entfernt wurde, die die
BA als Urheber der Bescheinigung erkennbar werden
ließ.
Daneben zeichnet sich ein Problem im Bereich der Gesundheitsdaten ab. Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten
Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen. Die Mehrbedarfsleistung muss im Einzelfall

durch ärztliche Bescheinigung festgestellt werden. Hier
ist zu gewährleisten, dass die Gesundheitsdaten, die für
die Berechnung der Mehrbedarfshöhe erforderlich sind,
nicht in den Vermittlungsbereich der Agenturen gelangen. So darf es beispielsweise nicht sein, dass der Antrag eines HIV-Patienten, der Mehrkosten wegen kostenaufwändiger Ernährung geltend macht, von der Person
bearbeitet wird, die ihn später in den Arbeitsmarkt vermitteln soll. Daher halte ich es für unabdingbar, dass die
Vermittler keine Kenntnis von Krankheiten erhalten. Die
BA will zusammen mit mir zu einer einvernehmlichen
Lösung kommen.
Die dargestellten Problemfelder sind nur ein Ausschnitt
aus der Vielzahl datenschutzrechtlicher Fragen, die sich
auf die Antragsformulare bezogen. Gemeinsam mit den
Landesbeauftragten für den Datenschutz habe ich die Defizite herausgearbeitet und die BA zur Korrektur aufgefordert (vgl. hierzu die Entschließung der 68. Konferenz
der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder,
Kasten zu Nr. 16.1.2). Eine Neuauflage unter Berücksichtigung der Forderungen der Datenschutzbeauftragten des
Bundes und der Länder hat die BA für das Frühjahr 2005
in Aussicht gestellt.
Nachdem die Antragsformulare versandt worden waren,
musste eine Lösung gefunden werden, um die Erhebung
von nicht erforderlichen und damit unzulässigen Daten
wenn nicht ganz zu verhindern, so doch zumindest einzugrenzen. Um dies zu erreichen, entwickelte die BA in
kurzer Zeit unter meiner Mitwirkung sog. „Ausfüllhinweise der Bundesagentur für Arbeit zum Antragsvordruck Arbeitslosengeld II“ und stellte diese auf ihre
Homepage im Internet zum Abruf ein. Da nicht alle Betroffenen über einen Internetzugang verfügen, habe ich
darauf bestanden, die Ausfüllhinweise in den Agenturen
auszulegen und dafür Sorge zu tragen, dass jeder Antragssteller, der die Formulare noch nicht abgegeben
hatte, davon Kenntnis erlangen konnte. Trotz entsprechender Anweisungen der BA kam es in der praktischen
Umsetzung zu erheblichen Schwierigkeiten. Ich erhielt
viele Beschwerden, wonach die Ausfüllhinweise in den
Agenturen entweder überhaupt nicht auslagen oder nur
auf Drängen ausgehändigt wurden. Die Verbindlichkeit
der Ausfüllhinweise wurde darüber hinaus von einigen
Mitarbeitern der BA gegenüber Kunden in Abrede gestellt.
Außerdem habe ich erfahren, dass viele Agenturen keine
diskrete Bearbeitung der Anträge anboten und die Antragsannahme in „Großraumbüros“ stattfand. Schutzwürdige Sachverhalte, die am Nachbartisch behandelt wurden, konnten mitgehört werden. Dieser Zustand ist nicht
hinnehmbar. So kann den Antragstellern durch ein deutlich sichtbares Hinweisschild die Möglichkeit einer Beratung in einem Einzelzimmer eingeräumt werden (vgl.
Nr. 16.5).
K a s t e n zu Nr. 16.1.2

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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