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16

Arbeitsverwaltung

16.1

Hartz IV und die Folgen

Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
schafft zum 1. Januar 2005 eine neue Sozialleistungsform. Und eine Reihe von Problemen.
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe werden zur neuen
Grundsicherung für Arbeitsuchende zusammengeführt.
Anspruchsberechtigt sind Personen zwischen 15 und
65 Jahren, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, sowie ihre mit ihnen in Gemeinschaft lebenden nicht
erwerbsfähigen Angehörigen. Eingliederungsleistungen
erhalten die Betroffenen nach dem SGB III und Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954). Wie schon die ersten
„Hartz-Gesetze“ beruht auch Hartz IV auf dem Bericht
der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur
Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit (sog.
„Hartz-Kommission“). Über einige Vorschläge dieser
Kommission hatte ich in meinem 19. TB berichtet
(Nr. 23.2.2).
Ursprünglich war die Leistungsträgerschaft ausschließlich für die Bundesagentur für Arbeit (BA) vorgesehen.
Auf Bestreben der Länder beschloss der Vermittlungsausschuss des Deutschen Bundestages eine wesentliche
organisatorische Änderung, die mit dem „Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz)“
vom 30. Juli 2004 umgesetzt worden ist (BGBl. I
S. 2014). Nunmehr regelt § 6 SGB II eine geteilte Zuständigkeit zwischen der BA und den kommunalen Trägern. Letztere sind u. a. für die Leistung für Unterkunft
und Heizung zuständig. Das Gesetz sieht in
§ 44b SGB II vor, dass BA und kommunale Träger ihre
jeweiligen Aufgaben einheitlich durch Gründung einer
Arbeitsgemeinschaft (ARGE) wahrnehmen, die der Aufsicht der zuständigen obersten Landesbehörden im Benehmen mit dem BMWA unterliegen. Die ARGE nehmen die Aufgaben der Agenturen für Arbeit als
Leistungsträger nach dem SGB II wahr. Die kommunalen Träger „sollen“ der ARGE die Wahrnehmung ihrer
Aufgaben nach dem SGB II übertragen. Da „sollen“
nicht zwingend „müssen“ bedeutet, kann es zukünftig
sein, dass einige Leistungsberechtigte mancherorts zwei
Anlaufstellen haben, wenn die Aufgabenübertragung
verweigert wird. Darüber hinaus wird maximal
69 Kommunen die Option eingeräumt, alle Aufgaben
nach dem SGB II eigenständig wahrzunehmen (sog. zugelassene kommunale Träger).
Dass diese geteilte Zuständigkeit nicht nur organisatorische, finanzielle und verfahrensmäßige Schwierigkeiten
aufwirft, liegt auf der Hand. Auch der Datenschutz spielt
eine ganz wesentliche Rolle in diesem Reformvorhaben,
von dem annähernd drei Millionen Bürgerinnen und Bürger betroffen sein werden. Denn eines stand von Anfang
an fest: Ohne Daten kein Starten! Deshalb standen die

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

verantwortlichen Stellen vor der großen Herausforderung,
Millionen Datensätze zu erheben und zu verwalten. Für
welchen Weg man sich entschieden hat, wird nachfolgend
dargestellt.
16.1.1 Das Sozialgesetzbuch II und
Datenschutz
Das SGB II nach Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember
2003 enthielt ursprünglich nur wenige Regelungen zum
Datenschutz. Weiteren Handlungsbedarf hatte der Gesetzgeber nicht gesehen, da ergänzend die allgemeinen Vorschriften über den Schutz der Sozialdaten – insbesondere
§ 35 SGB I und die §§ 67 ff. SGB X – gelten. Im Zuge
des Kommunalen Optionsgesetzes, das die Beteiligung
der Kommunen und damit die Notwendigkeit des Datenaustausches zwischen den beteiligten Stellen mit sich
brachte, wurden auf meine Anregung hin einige datenschutzrechtliche Verbesserungen erreicht. So ist es erfreulich, dass die BA an ihre Kunden jeweils eine neue Nummer vergibt, wenn eine Zeit der Leistungsunterbrechung
eintritt. Damit wird vermieden, dass sich die in
§ 51a SGB II vorgesehene Kundennummer zu einem verfassungsrechtlich problematischen Personenkennzeichen
entwickelt (s. Nr. 8.2). Weiterhin enthielt § 51b Abs. 2
SGB II in seiner ursprünglichen Fassung die Formulierung, dass die zuständigen Träger der Grundsicherung
„mindestens“ Angaben über bestimmte Einzeldaten erheben. Auf Grund meiner Bedenken wurde das Wort „mindestens“ gestrichen. Und um sicherzustellen, dass die erhobenen Daten nur zu bestimmten, gesetzlich normierten
Zwecken verwendet werden, habe ich gefordert, dass eine
strikte Zweckbindung in § 51b SGB II aufgenommen
wird. Nach dessen Absatz 4 heißt es nun, dass die nach
den Absätzen 1 bis 3 erhobenen Daten nur für die im Gesetz näher aufgeführten Zwecke verarbeitet werden dürfen. Damit verbietet das Gesetz eine darüber hinausgehende Nutzung.
16.1.2 Die Fragebögen zum Arbeitslosengeld II
Im Zuge der Einführung des Arbeitslosengeld II entfachten die zunächst 16-Seiten starken Antragsformulare eine
Flut an Protesten und Beschwerden. Da ich an der Gestaltung der Formulare nicht beteiligt worden war, konnte ich
diese erst nach Drucklegung datenschutzrechtlich prüfen.
Bereits eine erste Überprüfung ließ erhebliche datenschutzrechtliche Mängel erkennen. Die Antragsbögen
enthielten auch Angaben, die für die Leistungsberechnung nicht erforderlich waren. So war beispielsweise die
Frage nach der Bankverbindung des Vermieters besonders kritisch. Viele besorgte Betroffene wandten sich an
mich mit der Befürchtung, dass Mietzinszahlungen von
der BA direkt auf das Konto der Vermieter gezahlt würden, die auf diesem Weg von der Arbeitslosigkeit erführen. Abgesehen von dieser nachvollziehbaren Sorge ist
die Erhebung der Vermieterkonten im Rahmen der Daten-

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