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problematisch, mit dem eine dauerhafte volle Erwerbsminderung festgestellt werden sollte. In diesem Zusammenhang war nicht geklärt, ob auch der örtliche Grundsicherungsträger über das Vorliegen einer medizinisch
bedingten Erwerbsminderung der Antragsteller befinden
konnte, oder ob er insoweit an die (medizinische) Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gebunden war.
Dementsprechend sahen auch die zur Anforderung medizinischer Unterlagen eingesetzten Schweigepflichtentbindungserklärungen zum Teil eine sehr weitgehende
Ermächtigung vor, nach der neben dem Rentenversicherungsträger auch der Grundsicherungsträger befugt sein
sollte, sensible medizinische Daten der Antragsteller bei
Ärzten, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zu
erheben.
Diese Praxis stieß auf erhebliche Bedenken, da nicht sichergestellt war, dass sensible medizinische Unterlagen
und Befunde der Antragsteller ausschließlich den Rentenversicherungsträgern als den für eine medizinische Prüfung fachlich geeigneten Stellen zugänglich gemacht
wurden. Die nicht geklärte Aufgabenverteilung von
Grundsicherungs- und Rentenversicherungsträgern führte
zudem zu einer uneinheitlichen Verwaltungspraxis.
Um auf eine datenschutzgerechte Ausgestaltung der Verfahrensweise hinzuwirken, hatte ich – in Abstimmung mit
den für die Träger der Grundsicherung zuständigen Landesbeauftragten für den Datenschutz – bereits in der ersten Hälfte des Berichtszeitraums intensive Gespräche mit
dem BMGS, Vertretern der Länder, den Kommunalen
Spitzenverbänden sowie dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) geführt. Hierbei wurde deutlich, dass die datenschutzrechtlichen Probleme nur durch
eine gesetzliche Klarstellung hinsichtlich der Aufgabenverteilung von Grundsicherungs- und Rentenversicherungsträgern zu lösen waren.
Inzwischen wurden die Vorschriften über die Grundsicherung in das Sozialhilferecht eingegliedert (BGBl. I 2003
S. 3022) und in wesentlichen Punkten – unter Berücksichtigung der von mir vorgetragenen datenschutzrechtlichen Gesichtspunkte – klargestellt. So legt § 45 Abs. 1
Satz 2 SGB XII nunmehr verbindlich fest, dass die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung für den ersuchenden Träger der Sozialhilfe bindend ist. Ebenso
wird geregelt, dass die Rentenversicherungsträger ein
derartiges Ersuchen zu prüfen und zu entscheiden haben.
Damit dürfen ausschließlich die Rentenversicherungsträger die medizinische Begutachtung durchführen.
Zur Frage, wie der Grundsicherungsträger bzw. der Träger der Sozialhilfe die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung feststellen und dementsprechend ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger
richten soll, ist ebenfalls eine Klarstellung erfolgt. Nach
§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erfolgt ein Ersuchen dann,
wenn es aufgrund der „Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten“ als wahrscheinlich erscheint, dass die
Voraussetzungen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung gegeben sind. Zur Feststellung dieser Wahrschein-

lichkeit ist eine Kenntnisnahme oder Anforderung verschiedener medizinischer (Behandlungs-) Unterlagen bei
Dritten nicht erforderlich, da die „Angaben und Nachweise“ von den Betroffenen selbst erhoben bzw. von diesen mit dem Antrag vorgelegt werden können.
Mit Blick auf das Inkrafttreten der geänderten Vorschriften über die Grundsicherung zum 1. Januar 2005 hatte ich
gegenüber den Kommunalen Spitzenverbänden und dem
VDR die Fortführung der bislang geführten Gespräche
zur Grundsicherung angeregt, um rechtzeitig ein bundeseinheitliches und datenschutzkonformes Verfahren zu erreichen. Leider hat bisher nur der VDR auf meine Initiative reagiert.
Unabhängig davon gehe ich aufgrund der eingetretenen
Rechtsänderung davon aus, dass auch die Kommunalen
Spitzenverbände für eine datenschutzkonforme Anpassung des Verfahrens Sorge tragen werden.
15.2

Das JobCard-Verfahren

Eines der ehrgeizigsten Projekte zur Einführung von elektronischen Signaturverfahren ist das Projekt JobCard.
Das neue System zur Vorlage von Verdienst-, Entgelt- und
Arbeitsbescheinigungsdaten muss für den Betroffenen
transparent gestaltet und effektiv gegen Missbrauch geschützt werden.
Das Projekt zur Einführung elektronischer Signaturverfahren in der Sozialverwaltung läuft unter dem Stichwort „JobCard“. Diese Bezeichnung ist allerdings irreführend: Einerseits handelt es sich um zwei Projekte
(JobCard I und JobCard II), die aufeinander aufbauen.
Zum anderen handelt es sich um ein Verfahrensprojekt,
das zwar die Nutzung einer Signaturkarte vorsieht, bei
dem die Daten jedoch auf zentralen Servern gespeichert
werden.
Projektziel ist ein neues System zur Vorlage von Verdienst-, Entgelt- und Arbeitsbescheinigungsdaten in sozialrechtlichen Verfahren. Die nach den Sozialgesetzen zur
Leistungsberechnung vorgesehenen und vom Arbeitgeber
zu bescheinigenden Daten (Höhe von Entgeltzahlungen,
Daten zu den Beschäftigungszeiten etc.) sollen zukünftig
nicht mehr vom Arbeitgeber auf Papier ausgestellt, sondern von ihm monatlich für alle seine Arbeitnehmer an
eine Zentrale Speicherstelle (ZSS) elektronisch übertragen werden. Im Bedarfsfall sollen die im sozialrechtlichen Leistungsverfahren erforderlichen Daten aus der
ZSS abgerufen werden und im EDV-System der Sozialbehörde elektronisch zur Verfügung stehen. Die Einführung des JobCard-Verfahrens soll eine erhebliche
Kostenersparnis bei den Sozialbehörden und bei den Arbeitgebern bewirken. Die betroffenen Leistungsberechtigten sollen durch die beschleunigten Verwaltungsabläufe
in den Sozialbehörden erheblich schneller ihre beantragte
Sozialleistung erhalten.
Im (Teil-)Projekt JobCard I wurde zunächst die Möglichkeit untersucht, die Arbeitsbescheinigung nach

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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