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Das durchaus berechtigte Interesse, sich vor Mietausfällen
zu schützen, darf zu keinem gläsernen Mietinteressenten
führen. Die Beschaffung von Wohnraum ist ein elementares
Bedürfnis. Eine Erschwernis auf diesem Gebiet ist nicht
damit zu vergleichen, nur noch gegen Nachnahme beim
Versandhandel bestellen zu können oder keinen Handyvertrag zu bekommen. Besonders problematisch sind
branchenübergreifende Auskunftssysteme nicht nur wegen
der schwerwiegenden Konsequenzen von Negativauskünften für den Betroffenen, sondern auch im Hinblick auf
die Bewertung der jeweiligen Erkenntnisse. So bedeutet ein
Fehlverhalten auf einem anderen Gebiet nicht, dass der Betroffene auch bei der Mietzahlung säumig wird. Eine datenschutzpolitisch akzeptable Alternative, die beiden Seiten
gerecht würde, wäre eine branchenspezifische Beschränkung der Auskünfte. Vermieter dürften nur Auskünfte erhalten, die sich auf andere Mietverhältnisse des Betroffenen
beziehen und die nur solche Daten enthalten, die gesicherte
Rückschlüsse auf Mietausfallrisiken zulassen, wie z. B.
rechtskräftige Titel zu Zahlungsverzug im Mietbereich,
rechtskräftige Urteile zur fristlosen Kündigung wegen
Zahlungsverzugs oder sonstiger Vertragsverletzungen.
Die obersten Datenschutzaufsichtsbehörden waren sich
darin einig, dass aus der Sicht des Datenschutzes solche
branchenspezifischen Auskunftssysteme vorzuziehen sind
und eine uneingeschränkte Auskunft über bei branchenübergreifenden Auskunfteien gespeicherte Daten an
potentielle Vermieter unzulässig ist.
K a s t e n zu Nr. 11.6 und 11.7
Aus der Entschließung des Deutschen Bundestages
zum 19. Tätigkeitsbericht vom 17. Februar 2005,
Bundestagsdrucksache 15/4597:
„10. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die fortschreitende Digitalisierung und die starke
Zunahme von Datenströmen auch im nicht-öffentlichen Bereich zu einer immer stärkeren Verknüpfung von Daten führen können, die für unterschiedliche Zwecke erhoben wurden. Verbunden
mit einem wachsenden Netz verschiedener Auskunftssysteme und branchenübergreifender Zentraldateien erscheint es technisch möglich, durch
Profilbildung das Verhalten eines bestimmten
Menschen ohne dessen Wissen und Wollen abzubilden und ihn so für Dritte berechenbar zu machen. Der Deutsche Bundestag fordert deswegen
die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob und wie,
etwa durch Regelungen zur Beschränkung der
Profilbildung, zur Begrenzung der zentralen Auskunfteien auf branchenspezifische Auskunftssysteme und zur Stärkung der Rechtsposition der Betroffenen gegenüber zentralen Auskunfteien und
ihren Vertragspartnern, ein wirksamer Schutz der
Betroffenen und ihres Restitutionsinteresses insbesondere bei Verarbeitung unrichtiger Daten erreicht werden kann. Der Bundestag bittet, ihm
hierzu bis 2005 zu berichten.
…“
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004
11.7
Der Kunde – mehr als ein
Auskunftsobjekt
Das Sammeln und Verknüpfen von Daten liegt offenbar
im Trend. Dieser Entwicklung muss gegengesteuert werden, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht zu
bewahren.
Die fortschreitende Digitalisierung und die damit verbundene starke Zunahme der Datenströme führen zu einer
Vielzahl personenbezogener Daten. Das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen ist vor allem deshalb gefährdet, weil bei Entscheidungsprozessen nicht mehr, wie früher, auf manuell zusammengetragene Karteien und Akten
zurückgegriffen werden muss. Vielmehr können heute
Daten über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer
Person technisch gesehen unbegrenzt gespeichert und jederzeit ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abgerufen werden. Sie können darüber hinaus
– vor allem bei integrierten Informationssystemen – mit
anderen Datensammlungen zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammengefügt werden, ohne dass der Betroffene dessen Richtigkeit
beeinflussen und seine Verwendung zureichend kontrollieren kann. Auch für die Werbung, Markt- und Meinungsforschung werden mit immer neuen Ideen immer mehr Kundendaten zusammengetragen und ausgewertet, um zu
immer ausgefeilteren Kundenprofilen zu kommen: Kundenkarten, Apotheken-CD, SmartCards etc. helfen dabei.
Es ist schon dann problematisch, wenn vielfältige personenbezogene Daten eines Menschen mit seinem Wissen
zusammengestellt werden, weil er im Zweifelsfall die
weitreichenden Konsequenzen nicht abschätzen kann. Erfolgt dies aber ohne seine Kenntnis, wird sein informationelles Selbstbestimmungsrecht stark in Mitleidenschaft
gezogen.
Die technologische Entwicklung und der rasant wachsende Bestand von personenbezogenen Daten bilden die
Grundlage für immer aussagepräzisere Profile. Ein aktuelles Beispiel ist eine CD für nur 15 Euro mit deutschlandweiten Informationen zu Kaufkraft und Zahlungsmoral von Bewohnern einzelner Straßenabschnitte und sogar
einzelner Wohnhäuser. Die Daten stammen vor allem aus
Inkassodaten und öffentlichen Schuldnerlisten. Da eine
direkt personenbezogene Bewertung selbst aus Sicht des
Anbieters illegal wäre, hat man bei der Bewertung immer
mehrere Haushalte zusammengefasst. Kennt man die
Adresse, kann man gleichwohl über das Wohnumfeld des
potentiellen Arbeitnehmers oder Kunden sehr aussagekräftige Informationen erhalten. Elektronische Adressund Telefonverzeichnisse erleichtern dabei die Erkenntnisgewinnung.
Ein weiteres datenschutzrechtliches Problem stellt das
wachsende Netz verschiedener Auskunftssysteme dar.
Zwar besteht grundsätzlich ein legitimes Interesse der
Wirtschaft, sich vor Betrügern, schwarzen Schafen und
zahlungsunfähigen oder -unwilligen Kunden zu schützen.
Datenschutzrechtliche Gefahren entstehen insbesondere,
wenn Systeme zusammengeschaltet werden oder wenn
beliebig aus allen Systemen Informationen abgerufen
werden können. Es darf nicht dazu kommen, dass z. B.
ein junger Mensch, der im Alter von zwanzig Jahren auch