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Bundestagswahl eingegangenen Einsprüchen die Empfehlungen personenbezogen als Bundestagsdrucksache
veröffentlicht wurden. Zwar sah ich es für eine sachgerechte Behandlung der Einsprüche als unumgänglich an,
den Mitgliedern des Wahlprüfungsausschusses personenbezogene Daten der Einspruchsführer zugänglich zu machen. Eine sachliche Notwendigkeit für eine Veröffentlichung in einer BT-Drucksache, die in vielen öffentlichen
Bibliotheken und auch im Internet eingesehen werden
kann, sah ich nicht. Meine Bedenken ergaben sich nicht
zuletzt daraus, dass nach der bisherigen Praxis teilweise
sehr sensible Daten aus der Persönlichkeitssphäre des
Einspruchsführers personenbezogen veröffentlicht wurden (z. B. die Tatsache, dass jemand in einer Justizvollzugsanstalt einsaß). Eine entsprechende konkrete Befugnis enthält § 11 Wahlprüfungsgesetz nicht. Danach hat
der Wahlprüfungsausschuss zwar den Beschluss schriftlich niederzulegen und dem Deutschen Bundestag eine
Entscheidung vorzuschlagen. Eine Rechtsgrundlage zur
personenbezogenen Veröffentlichung der Beschlussempfehlung sah ich hierin jedoch nicht.
Da Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses wie Gerichtsurteile angelegt sind und nach § 9 Wahlprüfungsgesetz für das Verfahren zum Teil die Regelungen des Zivilprozesses gelten, habe ich es für angebracht
gehalten, die zur Veröffentlichung von Gerichtsurteilen
aufgestellten Grundsätze heranzuziehen. Danach werden
Gerichtsentscheidungen grundsätzlich anonymisiert veröffentlicht, es sei denn, die Anonymisierung beeinträchtigt
die Verständlichkeit der Entscheidung und das öffentliche
Interesse an einer personenbezogenen Veröffentlichung
der Entscheidung überwiegt. Durch eine Anonymisierung
der Daten der Einspruchsführer jedenfalls wird die Verständlichkeit der Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses nicht beeinträchtigt. Ebenso wenig
wird die im Demokratieprinzip verankerte Transparenz
des Wahlprüfungsverfahrens durch eine Anonymisierung
berührt.
Der Wahlprüfungsausschuss ist meiner Empfehlung gefolgt. Seit Anfang 2003 werden in den Bundestagsdrucksachen nur noch die Initialen des Namens und des Vornamens der Einspruchsführer, die Postleitzahl und der
Wohnort sowie das Aktenzeichen angegeben.
Allerdings wies mich Anfang 2004 ein Länderkollege
darauf hin, dass der Wahlprüfungsausschuss in den Entscheidungsgründen für die Zurückweisung eines Wahleinspruchs konkret auf zwei frühere Wahlprüfungsverfahren desselben Einspruchsführers hingewiesen hatte, bei
denen eine Anonymisierung noch nicht erfolgt war. Tatsächlich konnte sich hierdurch für interessierte Dritte mittelbar doch ein eindeutiger Rückschluss auf die Person
des Einspruchsführers sowie auf andere persönliche Umstände ergeben.
Der Wahlprüfungsausschuss hat diesen offensichtlichen
Einzelfall zum Anlass genommen, seine Mitglieder über
die Problematik zu informieren. Er hat ihnen empfohlen,
bei Verweisungen auf frühere Wahlprüfungsverfahren
desselben Einspruchsführers darauf zu achten, dass ein
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004
mittelbarer Personenbezug nicht hergestellt werden kann,
wenn dies nicht zwingend geboten ist. Aus meiner Sicht
wird damit dem Datenschutz angemessen Rechnung getragen.
10
Mitarbeiterdatenschutz
10.1
Arbeitnehmerdatenschutzgesetz:
Das Warten geht weiter
Immer noch fehlt eine Initiative zur Schaffung eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes. Führen europäische Vorgaben auch bei uns zu verbessertem Arbeitnehmerdatenschutz?
Eine zunehmende Zahl von Eingaben und Beratungsersuchen macht deutlich, dass sowohl auf Arbeitgeber- als
auch auf Arbeitnehmerseite erhebliche Unsicherheit über
den Umgang mit personenbezogenen Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herrscht. Gleichzeitig zeigen viele Fragen, dass der automatisierten Verarbeitung
von Mitarbeiterdaten eine immer größere Bedeutung zukommt. Dies betrifft vor allem die beschleunigte Einführung von Personalverwaltungs- und -informationssystemen in Behörden, Betrieben und Unternehmen und die
damit verbundenen Auskunfts- und Informationsmöglichkeiten.
Aber auch die ständig voran schreitende Entwicklung auf
anderen Gebieten, insbesondere im Gesundheitswesen,
hat Konsequenzen für den Arbeitnehmerdatenschutz. So
erlangen neue Diagnosemöglichkeiten zunehmende Bedeutung für das Arbeitsverhältnis. Hier bedarf es dringend klarer gesetzlicher Vorgaben, die den am Arbeitsverhältnis Beteiligten sowohl die Einsatzmöglichkeiten
als auch die Grenzen neuer medizinischer Methoden und
den Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten aufzeigen.
Auch wenn sich inzwischen in Teilbereichen des Arbeitnehmerdatenschutzes gesetzliche Regelungen abzeichnen
– so im Rahmen der Umsetzung der Antidiskriminierungsregelung der EU und der Arbeiten an einem Gendiagnostikgesetz, in dem voraussichtlich auch Regelungen über den Einsatz von Gentests im Arbeitsleben
enthalten sein werden – bleibt die Notwendigkeit, wesentliche Kernfragen des Datenschutzes im Arbeitsverhältnis gesetzlich zu regeln. Rechtsklarheit und Transparenz müssen in diesem Bereich dringend hergestellt
werden.
Befürchtungen, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz führe
zu einer einseitigen Belastung auf Arbeitgeberseite, halte
ich für nicht gerechtfertigt. Eine ausgewogene gesetzliche
Regelung zum Arbeitnehmerdatenschutz wird vielmehr
auch für Arbeitgeber und Unternehmen vorteilhaft sein.
Dies gilt einerseits im Bezug auf die innerbetrieblichen
Abläufe: Unsicherheiten über den Umgang mit Daten der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fallen weg; ungerechtfertigten Befürchtungen der Beschäftigten, etwa im Hinblick auf eine unzulässige Überwachung durch den Arbeitgeber, wird der Nährboden entzogen. Sofern eine
vollständige Überwachung von Arbeitnehmern durch ihre