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nicht zum Ziele geführt haben oder keinen Erfolg versprechen.
Vorausgegangen waren Bemühungen des BMF, bessere
Kontrollmöglichkeiten einzuführen, um die Finanzverwaltung in die Lage zu versetzen, eine gleichmäßige Besteuerung im Vollzug sicherzustellen.
Mit dem Entwurf eines Steuervergünstigungsabbaugesetzes (StVergAbG) vom 2. Dezember 2002 (Bundestagsdrucksache 15/119) sollten Steuergerechtigkeit und Steuertransparenz erhöht und den öffentlichen Haushalten die
notwendigen Einnahmen zur Finanzierung ihrer Aufgaben verschafft werden. Zentraler Punkt war das Vorhaben, unter Eingriff in das Bankgeheimnis des § 30a AO
die Kreditinstitute zu verpflichten, dem BfF durch flächendeckende Kontrollmitteilungen Auskunft über Kapitalerträge (Zinsen und Aktiengewinne) ihrer Kunden zu
erteilen, was eine bedeutende Ausweitung gegenüber den
bisherigen Freistellungsaufträgen bedeutet hätte, die bereits ein gewisses Kontrollsystem darstellen. Durch den
Wegfall des § 30a AO wäre nach Auffassung des BMF
auch die Möglichkeit geschaffen worden, die in der Vergangenheit liegenden steuerlichen Sachverhalte zu prüfen.

Anders als bei § 93 Abs. 7 AO fehlt in § 93 Abs. 8 AO
(vgl. Kasten a zu Nr. 8.3) zudem eine Zweckbestimmung
für die Abfragen. Aus dem Gesetz geht nicht deutlich hervor, zu welchem Zweck eine Abfrage erfolgen darf. Um
welche Begriffe des Einkommensteuergesetzes es sich
handelt, an die das Gesetz anknüpft, das die anfragende
Behörde anwendet, ist nicht definiert. Da das Einkommensteuerrecht eine Vielzahl von Begriffen verwendet
(neben den Begriffen „Einkommen“ und „Einkünfte“
z. B. auch „Wohnung“, „Kindergeld“ und „Arbeitnehmer“), ist nicht hinreichend klar, welche Behörden die
Abfrageberechtigung erhalten können. Dies jedoch ist
nach dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot unverzichtbar. Es ist auch nicht deutlich, nach welchen Regelungen Auskunftsersuchen erfolgen sollen.
Die Vorschrift steht daher nicht im Einklang mit dem verfassungsmäßigen Gebot der Normenklarheit. Dies hatte
ich schon während des Gesetzgebungsverfahrens dem Finanzausschuss vorgetragen. Mit Schreiben vom
7. Oktober 2003 hatte ich vorgeschlagen, eine Abrufmöglichkeit nicht in dieser generellen Form, sondern spezialgesetzlich zu regeln. Mein Vorschlag wurde jedoch nicht
aufgegriffen.

Meine Länderkollegen und ich haben dieses Vorhaben
deutlich kritisiert. In das informationelle Selbstbestimmungsrecht werde unverhältnismäßig eingegriffen. Dies
habe ich dem Finanzausschuss am 7. Januar 2003 mitgeteilt. Eine von mir als Alternative zu flächendeckenden
Kontrollmitteilungen angesehene Abgeltungssteuer als
weniger einschneidendes Verfahren, das die umfassenden
Anzeigeverpflichtungen der Kreditinstitute vermeidet,
wurde dann, noch während des parlamentarischen Verfahrens zum StVergAbG, durch den Referentenentwurf eines Zinsabgeltungssteuergesetzes vom 17. März 2003 in
die Diskussion gebracht. Vorgesehen war, die steuerliche
Belastung der Kapitaleinkünfte (zunächst nur der Zinsen)
durch eine Abgeltungssteuer von 25 % zu begrenzen.
Dies wurde jedoch nicht weiterverfolgt.

Ich habe nach wie vor Zweifel an der Argumentation des
BMF, es werde „mit einem Risikomanagement“ in der
Lage sein, die Abfragen nur „anlassbezogen und zielgerichtet“ durchzuführen. Konkrete Formen hat ein solches
Verfahren jedenfalls noch nicht angenommen. Tatsache
ist, dass die Betroffenen von dem Datenabruf zunächst
nichts erfahren sollen. Sie erhalten hiervon allenfalls bei
einer Diskrepanz zwischen ihren Angaben (z. B. anlässlich der Steuererklärung oder des BAFöG-Antrags) und
den Ergebnissen der Kontenabfragen Kenntnis (vgl. auch
Entschließung der Datenschutzkonferenz vom 26. November 2004, Kasten b zu Nr. 8.3). Das BMF will jedoch
in einer Verwaltungsanweisung auch bei Bestätigung der
Angaben des Betroffenen durch den Kontenabruf regeln,
dass der Betroffene im folgenden Steuerbescheid über die
Kontenabfrage informiert wird (vgl. Kasten c zu Nr. 8.3).

Mit den neuen Regelungen geht eine Zweckänderung
der Verwendung der von den Kreditinstituten ursprünglich allein zur Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität (Geldwäsche) vorzuhaltenden Daten einher.

Die Problematik hat lebhafte Resonanz in den Medien gefunden. Die verfassungsrechtliche Dimension zeigt sich
in zwei anhängigen Verfassungsbeschwerden mit entsprechenden Eilanträgen. Darüber hatte das Bundesverfassungsgericht bei Redaktionsschluss noch nicht entschieden.

BfD

20. Tätigkeitsbericht

2003–2004

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