– 100 –
weit gezogen und für die Gefangenen kaum überschaubar. Ich habe daher gegenüber dem BMJ angeregt, den
Entwurf dahingehend zu ändern, dass die Vollzugskonferenz die Erforderlichkeit dieser Maßnahme erst feststellen
darf, nachdem der Gefangene und der Personensorgeberechtigte angehört worden sind.
Der Entwurf sieht zwar vor, dass der Schriftverkehr des
Gefangenen mit seinem Verteidiger und Beistand entsprechend der Vorschrift in § 29 Abs. 1 StVollzG nicht überwacht wird. Allerdings findet sich im Entwurf keine weitergehende Regelung, nach der auch Schreiben des
Gefangenen an Volksvertretungen sowie deren Mitglieder, an europäische Institutionen und die Datenschutzbeauftragten nicht überwacht werden (vgl. § 29 Abs. 2
StVollzG). Dies hätte zur Folge, dass der Verkehr mit den
genannten Institutionen, der bei Erwachsenen keiner
Überwachung unterliegt, bei Minderjährigen untersagt
werden könnte, soweit Personensorgeberechtigte nicht
damit einverstanden sind. Die besondere Funktion der genannten Institutionen wird dabei nicht berücksichtigt. Das
Recht auf jederzeitige Anrufung des Datenschutzbeauftragten beispielsweise ergibt sich aus dem Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung. Die Grundrechtsmündigkeit beginnt nicht erst mit der Volljährigkeit. Die Ausübung dieses Rechts kann deshalb nicht von der Zustimmung eines Personensorgeberechtigten abhängig gemacht
werden.
Der Entwurf enthält Regelungen für die auf freiwilliger
Grundlage in der Anstalt verbleibenden oder zurückkehrenden Gefangenen, die dort ihre begonnene Ausbildungs- oder Behandlungsmaßnahme abschließen oder aus
fürsorgerischen Gründen zunächst dort bleiben möchten.
Den Anforderungen an die Freiwilligkeit trägt der Entwurf allerdings nur unzureichend Rechnung. Ich vertrete
die Auffassung, dass Eingriffe in die informationelle
Selbstbestimmung, wie z. B. Besuchs- und Briefkontrollen bei den genannten Gefangenen, wenn überhaupt, nur
unter deutlich engeren Voraussetzungen durchgeführt
werden dürfen als vor dem Entlassungszeitpunkt. Es
sollte dabei auch festgelegt werden, dass Kontrollen nur
unter Beachtung der geregelten Ausbildungs-, Behandlungs- oder Fürsorgezwecke zulässig sind. Aus der Tatsache, dass sich der Betroffene freiwillig in der Anstalt
befindet, darf nicht auf eine wirksame Einwilligung in
künftige Kontrollen geschlossen werden.
7.7
Zentrales Staatsanwaltschaftliches
Verfahrensregister (ZStV)
Die Kontroverse über den Umfang des Auskunftsanspruch aus dem ZStV ist beigelegt. Das „Gesetz zur
effektiven Nutzung von Dateien im Bereich der Staatsanwaltschaften“ beschränkt diesen Anspruch. Die technische Sicherheit der Kommunikation mit dem ZStV ist
noch immer nicht gewährleistet.
Über einen längeren Zeitraum hinweg habe ich mit dem
BMJ über den Umfang des Auskunftsanspruches aus dem
ZStV kontrovers diskutiert (vgl. 18. TB Nr. 6.11.3;
19. TB Nr. 8.8). Wie berichtet, hatten einige Landesjustizverwaltungen wegen befürchteter „Ausforschungsgefahren“ dem Register keine Ermittlungsverfahren gemel-
BfD
20. Tätigkeitsbericht
2003–2004
det oder dies nur lückenhaft getan. Das BMJ sprach sich
deshalb dafür aus, Auskünfte generell nur noch über abgeschlossene oder dem Betroffenen bereits bekannt gewordene Ermittlungsverfahren zu erteilen. Eine solche
Beschränkung des Auskunftsanspruchs lehnte ich ab.
Meinen Bedenken ist teilweise Rechnung getragen worden, denn mit dem „Gesetz zur effektiveren Nutzung von
Dateien im Bereich der Staatsanwaltschaften“ vom
10. September 2004 (BGBl. I S. 2318) ist der Auskunftsanspruch der Betroffenen zwar eingeschränkt worden, jedoch in einer weniger weitgehenden Weise als ursprünglich vorgesehen. Bayern hatte vorgeschlagen, Auskünfte
nur über abgeschlossene Verfahren zu erteilen. Dies
lehnte die Bundesregierung unter Hinweis auf das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung ab. Sie schlug
stattdessen vor, den Auskunftsanspruch des Betroffenen
auf solche Verfahren oder Eintragungen zu beschränken,
die bereits ein bestimmtes „Alter“ erreicht haben, wobei
die Bemessung des maßgeblichen Zeitraums gestuft nach
einer von der Staatsanwaltschaft zu beurteilenden Geheimhaltungsbedürftigkeit des Verfahrens erfolgen solle.
Diesem Vorschlag folgte schließlich auch der Deutsche
Bundestag. Es ist demnach vorgesehen, dass über Verfahren, deren Einleitung bei der Staatsanwaltschaft im Zeitpunkt der Beantragung der Auskunft noch nicht mehr als
sechs Monate zurückliegt, keine Auskunft erteilt wird.
Die Staatsanwaltschaft kann diese Frist auf bis zu
24 Monate verlängern, wenn wegen der Schwierigkeit
oder des Umfangs der Ermittlungen im Einzelfall ein
Geheimhaltungsbedürfnis fortbesteht. Eine weitere Fristverlängerung kann durch den Generalstaatsanwalt, in
Verfahren der Bundesanwaltschaft durch den Generalbundesanwalt angeordnet werden. Der Antragsteller ist
auf diese generelle Verfahrensweise hinzuweisen.
Im Interesse der Funktionsfähigkeit des ZStV halte ich
eine Auskunftsbeschränkung, gestaffelt nach dem Alter
der Eintragung und des Geheimhaltungsbedürfnisses,
zwar für vertretbar. Entgegen meinem Vorschlag wurde
jedoch nicht die entsprechende Vorschrift im Abschnitt
über das ZStV geändert (§ 495 StPO), sondern die für alle
staatsanwaltschaftlichen Register geltende (§ 491 StPO).
Die Regelung des § 495 StPO enthält nur eine Verweisung hierauf. Bisher richtete sich der Auskunftsanspruch
von Verfahrensbeteiligten nicht nach § 491 StPO, sondern
nach § 487 Abs. 2 StPO. Es ist nicht abzusehen, was dies
in Bezug auf Verfahrensbeteiligte bedeutet, die in Zukunft Auskunft aus „normalen“ staatsanwaltschaftlichen
Registern begehren. Kritisch sehe ich außerdem, dass das
Gesetz entgegen meinen mehrfach vorgetragenen Anregungen keine Höchstfrist für die Auskunftsbeschränkung
vorsieht. Es ist deshalb zu befürchten, dass in Einzelfällen
der Auskunftsanspruch völlig leer laufen wird.
In technischer Hinsicht wurde die von mir mehrfach angemahnte (vgl. 18. TB Nr. 6.11.3; 19. TB Nr. 8.8) „Endezu-Ende-Verschlüsselung“ der zum und vom ZStV übermittelten Daten leider immer noch nicht umgesetzt. Ich
hoffe, dass der nunmehr angekündigte Pilotbetrieb der
vom Bundeszentralregister entwickelten IPSec-Implementierungslösung zügig aufgenommen werden wird.